Votive - Silber


EMK/4/t016
Votivgaben werden in der Hoffnung gestiftet, die daran geknüpften Wünsche mögen in Erfüllung gehen (Bittvotiv). Sind diese bereits eingetroffen, wird das damit verknüpfte Gelübde durch das Darbringen eines Exvoto erfüllt (Dankvotiv). Theoretisch kann jeder Gegenstand als Votivgabe dargebracht werden. Durch die Votation werden Dinge des täglichen Lebens zur Weihgabe. Materiell vielleicht wertlos, spielen sie im Leben des Individuums eine besondere Rolle.

In Zypern ist das Darbringen von Alltagsgegenständen wie Hirtenstäben, Teilen des Webstuhls, Hochzeitskränzen, Kleidungsstücken, Schmuckstücken und vielen anderen bekannt. Speziell für eine Votation hergestellt werden Votive (el-cy: Sg. tama // tr-cy: Sg. adak hediyesi) aus Wachs und Edelmetallen, maschinell erzeugte werden aus Griechenland importiert. In den Votiven finden alle das Leben betreffenden Belange Niederschlag. Eine Gruppe stellt alles mit dem Menschen und dessen Gesundheit und Wohlbefinden in Zusammenhang Stehende dar: sämtliche Gliedmaßen und Organe des menschlichen Körpers, ganze Figuren vom Säugling bis zum Greis, auch Gebrechen wie beispielsweise Knochenbrüche. In einer weiteren Gruppe finden sich Gegenstände aus allen Lebensbereichen: Häuser, Tiere, Autos, Schiffe, Hochzeitskränze, Gewehre, Dolche etc. Bei Metallvotiven finden wir auch schriftliche Dankesbezeugungen, da sich diese hier materiell gut umsetzen lassen.

Die Weihgaben werden in die sakralen Stätten gebracht, wo sie an den die Ikonen verhängenden Tüchern festgesteckt, an für diesen Zweck gespannten Schnüren oder angebrachten Stangen aufgehängt oder einfach nur abgelegt werden. Dort verbleiben sie einen bestimmten Zeitraum und werden schließlich von den Kirchen zurück an Kerzenzieher und Gold- und Silberschmiede verkauft. Diese schmelzen die Weihgaben ein oder frischen sie auf und verkaufen sie neuerlich. Manche der Votive, das ist vor allem bei der Repräsentation innerer Organe zu beobachten, lassen kein eindeutiges Erkennen des ursprünglich Intendierten zu und so ist es dem Silberschmied und dem Kerzenzieher bzw. dem Käufer überlassen, wie sie diese interpretieren (z. B. EMK/5.201).

Die in der Sammlung Krpata befindlichen, in Zypern erworbenen Votive aus Silber sind geschnitten, getrieben, ziseliert, graviert und vor allem durch Perlpunzen bearbeitet (z. B. EMK/5.211, EMK/5.214), selten gegossen (z. B. EMK/5.186). Um sie in der Kirche bei den Ikonen aufhängen zu können, sind sie stets am oberen Rand durchlocht oder rückseitig mit einem Haken versehen. Die Gestaltung mancher Votive lässt auf gedruckte Vorlagen oder Fotos schließen (EMK/5.178). Die Darstellung des Brustkorbes auf einem viereckigen Plättchen könnte durch ein Röntgenbild inspiriert sein (EMK/5.185). In einem Fall ist der Name des Votanten auf dem Votiv verewigt (EMK/5.216); Feingehaltspunzen sind fallweise gut sichtbar angebracht (z. B. EMK/5.196).

Gleich den Wachsvotiven gelangen auch aus Edelmetallen erzeugte Weihgaben zurück in den Handel und werden von den Kirchen an die Gold- und Silberschmiede verkauft. In der Sammlung Krpata befinden sich solche bereits dargebrachte Weihgaben. Bei drei Silbervotiven ist bekannt, dass sie einst dem Hl. Nikolaos in Nikosia gestiftet worden waren (EMK/5.178-EMK/5.179). In Zypern erworbene Silbervotive müssen nicht zwangsläufig auch dort erzeugt worden sein, d. h. der Stiftungsort muss nicht mit dem Erzeugungsort ident sein, da Weihgaben im Rahmen einer Wallfahrt nach Zypern gelangen können.

Unter den zu Beginn der 1960er-Jahre in Zypern gesammelten Votiven der Sammlung Kriss - sie gelangte als Schenkung in das Bayerische Nationalmuseum in München - befinden sich 51 aus Metall gefertigte.



Originalbild öffnen
Votive - Silber - Bild 1
Votive - Silber - Bild 1
Votive - Silber - Bild 2
CC BY-NC-SA für alle Abbildungen Volkskundemuseum Wien; alle anderen Abbildungen siehe Copyright-Angabe oben
Weiterführende Informationen
Literatur klassisch
Handaka, Sophia: Re-evaluating tamata: The Mikes Paidousis Collection of votive offerings. In: Μουσείο Μπενάκη [Mouseio Benaki] 2/2002, S. 147-165.

Kriss, Rudolf & Hubert Kriss-Heinrich: Beiträge zum religiösen Volksleben auf der Insel Cypern mit besonderer Berücksichtigung des Wallfahrtswesens. In: Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde 12/1961, S. 135-210.

Krpata, Margit: Die Sammlungen zypriotischer Ethnographica in den Museen des deutschsprachigen Raums. Eine Bestandsaufnahme im Licht der ethnographischen Praxis. (Dissertation). Wien 2002, hier S. 100-109, 158-161.

Kommentare

Kommentieren Sie das Objekt - teilen Sie ihre Informationen mit uns