Gasselschlitten
ÖMV/76.290
Wintervergnügen im Ancien Régime
Zwei hölzerne, eisenbeschlagene Schlittenkufen tragen, samt zwei massiven Holzbögen, den schlanken Schlittenkasten. Ledergepolsterter Einzelsitz in Fahrtrichtung. Dahinter ein zweiter, ledergepolsteter, schwebender Sitz für den Kutscher. Geschnitztes Zierwerk und vorne angeschraubte Volute, auf der eine Schäferin in zierlich-eleganter Pose sitzt. Vor ihr als Schlittenkopf die Figur eines Jägers.
Beide in zeittypischer Kleidung: der Jäger mit mittellangem Rock, seitlich geknöpfter Kniebundhose, weißen Strümpfen und geschnürten Stiefeln. Auf dem Haupt eine Perücke und ein linksseitig aufgekrempter Hut. Quer übergehängte Jagdtasche und ein Gewehr in der rechten Hand. Die Schäferin trägt ein dekolletiertes, miederartig gegürtetes Sommerkleid, dessen Kragen in ein kunstvoll drapiertes Schultertuch ausläuft. Auch sie mit Sommerhut, weißen Strümpfen und barocken Schnallenschuhen. Das Paar bildet gemeinsam eine äußerst harmonische Komposition. Der gesamte Schlitten ist in den dominierenden Farben Rot, Grün, Goldgelb und Orange bunt gefasst. Geschmiedete Metallteile geben Halt und ergänzen das elegante Erscheinungsbild des Fahrzeugs. An den Kufen Ösen zur Führung des Zaumzeugs (vorne) und gezackte Eisen (hinten).
Geschichte / Museum:
Der Schlitten ist derzeit im Bereich "Ständische Kultur" der Dauerausstellung zu sehen, da er aufgrund seiner prächtigen Ausgestaltung und der Figur des Jägers als perfektes Symbol für die Schichtung der Gesellschaft in vorindustrieller Zeit stehen kann: Die Jagd als herrschaftliches Privileg und "Lust des Adels", jedoch als Bürde der Dienenden und "Last des Volkes".
Die Aufstellung der 1960er Jahre positionierte den Schlitten, zusammen mit weiteren ähnlichen Stücken, in Zusammenhang mit den verschiedenen Formen von Fahrzeugen.
Als zentrales Objekt der Sonderausstellung "Wintertraum. Vom Schlittenfahren und Rodeln" war der barocke Gasselschlitten 2002 eines der Prunkstücke der Schau.
Geschichte / Leben / Kontext:
Prächtige Schlittenfahrten, sogenannte Schlittagen, waren mindestens vom 15. bis in das 18. Jahrhundert Teil einer verschwenderischen adeligen Festkultur. Am Wiener Hof überbot man sich in der Verwendung aufsehenerregender Fahrzeuge in Form von Fabelwesen und wilden Tieren. Die vorne zum Schlittenkopf zusammenlaufenden Kufen waren nach dem Geschmack der Zeit besonders verziert und zeigten Allegorien, Grotesken, Vogel- oder Menschenköpfe. Der besonders schöne barocke Gasselschlitten mit dem Jäger als Schlittenkopffigur und der romantischen Hirtin entstammt einem derartigen Milieu, in welchem man sich gerne spielerisch mit dem Landleben und dessen Protagonisten identifizierte.
Das Bürgertum und wohlhabende Bauern besaßen ebenfalls neben diversen Wagen einen oder mehrere Gasselschlitten und ließen sich, trotz einschränkender Gebote durch Joseph II., auch im 19. Jahrhundert das Vergnügen öffentlicher Gasselfahrten nicht nehmen. Kunstvoll gefertigte und verzierte Schlitten kamen auch im Fasching bei verschiedenen Umzügen zum Einsatz. Eine gewisse Attraktion dieser Schlittenfahrten war die erotische Komponente, die bei derartigen Anlässen quasi vor den Augen der Öffentlichkeit, aber doch kontrolliert zum Tragen kam.
Margot Schindler
Zwei hölzerne, eisenbeschlagene Schlittenkufen tragen, samt zwei massiven Holzbögen, den schlanken Schlittenkasten. Ledergepolsterter Einzelsitz in Fahrtrichtung. Dahinter ein zweiter, ledergepolsteter, schwebender Sitz für den Kutscher. Geschnitztes Zierwerk und vorne angeschraubte Volute, auf der eine Schäferin in zierlich-eleganter Pose sitzt. Vor ihr als Schlittenkopf die Figur eines Jägers.
Beide in zeittypischer Kleidung: der Jäger mit mittellangem Rock, seitlich geknöpfter Kniebundhose, weißen Strümpfen und geschnürten Stiefeln. Auf dem Haupt eine Perücke und ein linksseitig aufgekrempter Hut. Quer übergehängte Jagdtasche und ein Gewehr in der rechten Hand. Die Schäferin trägt ein dekolletiertes, miederartig gegürtetes Sommerkleid, dessen Kragen in ein kunstvoll drapiertes Schultertuch ausläuft. Auch sie mit Sommerhut, weißen Strümpfen und barocken Schnallenschuhen. Das Paar bildet gemeinsam eine äußerst harmonische Komposition. Der gesamte Schlitten ist in den dominierenden Farben Rot, Grün, Goldgelb und Orange bunt gefasst. Geschmiedete Metallteile geben Halt und ergänzen das elegante Erscheinungsbild des Fahrzeugs. An den Kufen Ösen zur Führung des Zaumzeugs (vorne) und gezackte Eisen (hinten).
Geschichte / Museum:
Der Schlitten ist derzeit im Bereich "Ständische Kultur" der Dauerausstellung zu sehen, da er aufgrund seiner prächtigen Ausgestaltung und der Figur des Jägers als perfektes Symbol für die Schichtung der Gesellschaft in vorindustrieller Zeit stehen kann: Die Jagd als herrschaftliches Privileg und "Lust des Adels", jedoch als Bürde der Dienenden und "Last des Volkes".
Die Aufstellung der 1960er Jahre positionierte den Schlitten, zusammen mit weiteren ähnlichen Stücken, in Zusammenhang mit den verschiedenen Formen von Fahrzeugen.
Als zentrales Objekt der Sonderausstellung "Wintertraum. Vom Schlittenfahren und Rodeln" war der barocke Gasselschlitten 2002 eines der Prunkstücke der Schau.
Geschichte / Leben / Kontext:
Prächtige Schlittenfahrten, sogenannte Schlittagen, waren mindestens vom 15. bis in das 18. Jahrhundert Teil einer verschwenderischen adeligen Festkultur. Am Wiener Hof überbot man sich in der Verwendung aufsehenerregender Fahrzeuge in Form von Fabelwesen und wilden Tieren. Die vorne zum Schlittenkopf zusammenlaufenden Kufen waren nach dem Geschmack der Zeit besonders verziert und zeigten Allegorien, Grotesken, Vogel- oder Menschenköpfe. Der besonders schöne barocke Gasselschlitten mit dem Jäger als Schlittenkopffigur und der romantischen Hirtin entstammt einem derartigen Milieu, in welchem man sich gerne spielerisch mit dem Landleben und dessen Protagonisten identifizierte.
Das Bürgertum und wohlhabende Bauern besaßen ebenfalls neben diversen Wagen einen oder mehrere Gasselschlitten und ließen sich, trotz einschränkender Gebote durch Joseph II., auch im 19. Jahrhundert das Vergnügen öffentlicher Gasselfahrten nicht nehmen. Kunstvoll gefertigte und verzierte Schlitten kamen auch im Fasching bei verschiedenen Umzügen zum Einsatz. Eine gewisse Attraktion dieser Schlittenfahrten war die erotische Komponente, die bei derartigen Anlässen quasi vor den Augen der Öffentlichkeit, aber doch kontrolliert zum Tragen kam.
Margot Schindler
H: 181 cm
B: 81 cm
L: 253 cm
B: 81 cm
L: 253 cm
Datierung
Sammlung
Objekt wird zitiert in
Schmidt, Leopold. 1966. Volkskunst in Österreich. Wien, Hannover: Forum-Verlag, S. 140-142 und Abb. 82. Weiterführende Informationen
Flamm, Hans-Jürgen. 2001. Prunkschlitten. Serenissimus’ Winterfreuden: Ausfahrt auf Kufen. In Sammler-Journal 30/Heft 2: S. 32-36. Moser, Dietz-Rüdiger. 1988. Maskeraden auf Schlitten. Studentische Faschings-Schlittenfahrten im Zeitalter der Aufklärung. München: Süddeutscher Verlag, S. 104.
Pallestrang, Kathrin. 2002. Wintertraum. Vom Schlittenfahren und Rodeln. In Österreichische Zeitschrift für Volkskunde LVI/105: S. 37-41.
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