Volkskundemuseum Wien
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Vortrag in Englisch von Beren Azizi
“Ich werde Ihnen keine Beschönigungen zum Osmanischen Reich anbieten, wie es manche postkoloniale Theorien tun. Ich werde mich nicht mit der Kritik an der Verqueerung des Osmanischen Reiches zurückhalten. Das Osmanische Reich ist nicht so sehr ein queer-normales Anderes, wie es bisher in der LGBTI-Geschichtsschreibung behauptet wurde. Das Osmanische Reich als das queer-normale Andere, das von der postkolonialen und queeren Geschichtsschreibung konstruiert wird, ist eine politische Vorstellung”
Wir beobachten seit langem, dass die AKP-MHP-Koalitionsregierung Stimmung gegen die LGBTI-Bürger*innen der Türkei macht. Die Regierung propagiert, die türkischen Familien zu schützen, während aber die Zahl der von einem Familienmitglied oder Verwandten begangenen Femizide in der Türkei zwischen 2008 und 2021 radikal angestiegen ist. In einer solchen politischen Atmosphäre wurden das Wissen und die Wahrnehmung der türkischen Gesellschaft in Bezug auf LGBTI-Personen neu positioniert, insbesondere in Bezug auf die Institutionen der Familie und der Nation.
Einerseits wurde gelogen und gesagt, dass die Existenz von LGBTI-Personen eine Bedrohung für die nationale Einheit darstellt. Der Grund für den rechtswidrigen “legalen” Angriff unter anderem auf Prides und die Meinungsfreiheit zum Thema LGBTI in der Türkei war es, gegenteilige Gedanken zu unterdrücken und Lügen über LGBTI-Identitäten zu verbreiten. Das ultimative Ziel dieser juristischen Tricks gegen die Rechtsstaatlichkeit war die Umsetzung einer Politik der legitimierten rechtswidrigen Gewalt. Denn ohne diesen Vorgang ist ein ausgrenzendes Regime nicht möglich: Gewalt gegen das “Ding”, das eine Bedrohung für Familie und Nation darstellt, kann kein Hassverbrechen sein, sondern ist Selbstverteidigung. Sie ist gefährlich und hat tödliche Folgen.
Andererseits hat die AKP-MHP alle ihre Feinde – also die Hälfte des Volkes, die sie nicht gewählt hat – aus dem sogenannten Cluster der “Echten Nation” ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang ist die Familie auch für heterosexuelle Bürger*innen, insbesondere für Frauen, zum Zentrum der Gewalt geworden. In einer politischen Situation, in der so viele soziale Gruppierungen durch die AKP-MHP-Koalition an den Rand gedrängt wurden, wie in dem Film “Der Kuss der Spinnenfrau”, wurden weite Räume geöffnet für die Annäherung zwischen türkischen Queers und Anti-AKP-Bürger*innen. In gewisser Weise ist es queer geworden, Dissident*in zu sein.
Beren Azizi schloss ihren Master an der Central European University, Vienna ab. Das Thema ihrer Master Thesis war “Building the Ottoman Police through Honor: Dismissing Policemen on the Grounds of Marrying “Unchaste” [iffetsiz] Women in the Late 19th and Early 20th Centuries”.
Ihre Forschungs- und Interessengebiete sind:
Osmanische Geschichte des 19. Jhrd, Moderne Türkische Geschichte; Osmanisch und Türkisch; Polizei Geschichte; Honour and Violence Studies im Mittelmeerraum; Gender Geschichte; Männlichkeitsforschung; Geschichte der Männlichkeit; LGBTI+ Geschichte der modernen Türkey; Trans Women’s Studies; Citizenship Studies; Democratization;
Säkularismus und türkischer Islam; Kino, TV, und digitale Medien.
Ihr seid eingeladen vor dem Vortrag die aktuelle Ausstellung des Queer Museum Vienna zu besuchen und nach dem Vortrag bei einem Getränk noch ein wenig bei uns zu verweilen.
Im Rahmen der Ausstellung History Hustory / Museum of Self-Care
Weitere Informationen zum QMV @ VKM
Zum Queer Museum Vienna