Das Weltmuseum Wien möchte sich mit diesem Projekt in einer kritischen Forschungspraxis versuchen, die historische Aspekte musealer Sammel- und Ausstellungspraxis reflektiert und die persönlichen Geschichten der ObjektbesitzerInnen sichtbar macht. Es ist dem Weltmuseum Wien und dem Volkskundemuseum Wien ein Anliegen, sich damit der essentiellen Frage des musealen Sammelns von Gegenwart zu widmen und sich damit auseinander zu setzen, welche zeitgenössischen Objekte wir sammeln und ausstellen, aber vor allem auch in welcher Weise dies geschieht.
Durch unterschiedliche aber gleichwertige Geschichten zeigen wir die Vielschichtigkeiten von Bedeutungen, die wir den Dingen geben können. Wir reflektieren damit auch kritisch jene musealen oder wissenschaftlichen Praxen, die einer Erzählung (z.B. der kuratorischen oder wissenschaftlichen) mehr Bedeutung geben als einer anderen.
In der traditionellen Arbeitsweise ethnographischer Museen dienten Objekte vorrangig als Repräsentanten ihrer Ursprungskultur, d.h. die zentrale Aufgabe eines Objekts war es, etwas über die Herkunftskultur zu erzählen. Die Verbindung von Objekten mit dementsprechenden wissenschaftlichen Erklärungen oder kuratorischen Beschriftungen diente damit auch der Konstruktion der Idee von fremden und eigenen Kulturen. Ein solcher starrer Kulturbegriff gilt heute in museologischen und kulturwissenschaftlichen Debatten als überholt, im Alltagsleben spielt die Idee von fremden und eigenen Kulturen immer noch eine Rolle. Als einen weiteren Aspekt möchte Sharing Stories daher einen Raum für Reflexionen des Begriffs Kultur öffnen und die TeilnehmerInnen auch in eine kritische Debatte zu seinem alltäglichen Gebrauch involvieren.
Eine Auswahl der gesammelten Gegenstände und Geschichten wird in Folge mehrschichtig dokumentiert: als Audio-Datei, als transkribierter Text, als Video-Interview und als Bestandteil einer Publikation. Anschließend werden diese Geschichten mit der Öffentlichkeit (über Social Media und die Website www.weltmuseumwien.at/sharingstories) sowie mit ExpertInnen aus diversen Disziplinen geteilt, um weitere Perspektiven zu erschließen.
Das Volkskundemuseum stellt als einer der Kooperationspartner in diesem Projekt seine Expertise und seine Mithilfe beim Sammeln der Gegenstände und Geschichten zur Verfügung und freut sich zugleich über die Möglichkeit hier auch neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Einladung zu Interviews
Von 30. Mai bis 17. Juni sind Interessierte jeden Donnerstag und Freitag von 10.00 bis 17.00 Uhr eingeladen, ein persönliches Objekt und die dazugehörige Geschichte für Videoaufzeichnungen in das Volkskundemuseum Wien zu bringen.
Rahmenprogramm
Kultur-Roulette, Mi 15. Juni, 19.00 Uhr
Begleitend zu diesem Projekt wird das Kultur-Roulette stattfinden, bei dem sich ExpertInnen, wie unter anderem Matti Bunzl (Direktor Wien Museum), mit der vielschichtigen Problematik gegenwärtiger Kulturbegriffe auseinandersetzen werden. Im Anschluss bitten wir zu einem kleinen Umtrunk in den Garten des Volkskundemuseums.
Team
Tal Adler (freier Künstler), Claudia Augustat (Weltmuseum Wien), Elisabeth Bernroitner (Brunnenpassage), Bianca Figl (Weltmuseum Wien), Herbert Justnik (Volkskundemuseum Wien), Jani Kuhnt-Saptodewo (Weltmuseum Wien), Karin Schneider (freie Kulturvermittlerin), Lisa Zalud (freie Ethnologin)
Bei den bisherigen Stationen des Projekts in der Brunnenpassage (www.brunnenpassage.at) und beim Festival ImPulsTanz (www.impulstanz.com) wurden bereits vielfältige Objekte und ihre Geschichten aufgezeichnet, nachzulesen unter: www.weltmuseumwien.at, wo sich auch ausführlichere Informationen zum Projekt finden.
Als ein Beispiel drucken wir hier die Geschichte von Saskia und ihrem Objekt ab, geschrieben von Lisa Zalud:
Ein kleines schwarzes Megafon mit der Aufschrift Rebellin! - ein Gegenstand, den Saskia nie wegwerfen, sondern den sie eher ihren Kindern vererben wird. Sie nahm anlässlich von Linz 09 an einer Bustour durch diese Stadt teil, in der die Geschichte des Widerstands thematisiert wurde. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer bekam danach ein Widerstands-Package, das unter anderem auch ein solches Megafon beinhaltete.
Saskia geht es vor allem um Gerechtigkeit. Ihr ist es ein Anliegen, für die eigenen Rechte, aber auch für jene Menschen, die vielleicht nicht selbst aufstehen können, zu kämpfen. Das Megafon ist für sie Sinnbild dafür, die eigene Stimme zu erheben. Obwohl sie, wie sie selbst sagt, kein wirklich lauter Mensch ist, kann es gut als Verstärkung dienen.
Schon in der Volksschule hat sie gemerkt, dass es offenbar einen Unterschied macht, Mann oder Frau zu sein. Deshalb ist sie der Meinung, dass es Feminismus geben muss, solange Frauen immer noch weniger verdienen, immer noch weniger wert sind.
Sie verbindet das Objekt zudem mit ihrer ersten Schwangerschaft. Ohne noch zu wissen, dass sie schwanger war, verspürte sie bereits einen Wandel in sich, eine neue Situation, die dann ihr gesamtes Leben verändert hat. Saskia erinnert sich sehr gerne an diese Bustour in Linz, die für sie zu den besten Veranstaltungen zählt, die sie je besucht hat. Die Orte im öffentlichen Raum, wie die Plätze von Arbeiterstreiks, feministischen Kämpfen etc., direkt aufzusuchen, prägte sie mehr als ein üblicher Museumsbesuch.
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