Nabelflasche aus grünem Waldglas


ÖMV/7.833
Glasdesign um 1700
Grüne Waldglasflaschen aus den Alpenländern wurden in der frühen Neuzeit nach ganz Europa exportiert. Diese beliebten Behältnisse für Branntwein mit dem charakteristisch eingezogenen Nabel bilden eine Symbiose aus Zweck und Eleganz.

Beschreibung:
Mundgeblasene Flasche aus grünem Waldglas mit Zinnschraubverschluss; tropfenartige Form mit optisch geblasener, schräg geriefter Wandung, die in der Mitte zu einem Nabel eingezogen ist; eingestochener Boden mit deutlich erkennbarer, nicht ausgeschliffener Abbruchnarbe; abgesetzte Halspartie, darauf Zinngewinde mit flachem Zinnschraubverschluss; Verwendung als Schnapsflasche.

Geschichte / Museum:
Diese Glasflasche kam bereits 1897 ins Museum für österreichische Volkskunde und wurde als eine von "2 Branntweinflaschen mit Zinnstoppeln" inventarisiert. Franz Xaver Grössl hatte die 35 Objekte umfassende Sammlung "Marie Kovacs" - darunter Krüge, Schüsseln und Teller aus Glas und Keramik - um 175,- Gulden in Niederösterreich angekauft.
Bereits 1911 hatte Michael Haberlandt, der erste Direktor des Hauses, diese "Schraubflasche" in der Publikation "Österreichische Volkskunst" im Kapitel "Glasarbeiten aus den Alpenländern" erwähnt und kurz beschrieben. Im Illustrationsteil des Werkes findet sich eine Schwarzweiß-Fotografie dieses Objektes.
Von 1975 bis 2000 war die Glasflasche mit den schönsten und interessantesten Exponaten der Glassammlung im Schloßmuseum Gobelsburg, einer niederösterreichischen Außenstelle des Museums in der Nähe von Langenlois, zu sehen. Erneut wurde die Flasche in einer Publikation erwähnt und zierte gemeinsam mit zwei anderen Objekten das Cover dieses Ausstellungskataloges. Seit der Auflösung der Außenstelle und der Rückführung der Exponate in das Haupthaus ruht sie im Depot.
Das Volkskundemuseum beherbergt eine Sammlung von rund 900 Glasobjekten aus vier Jahrhunderten. Dazu zählen Zunftkrüge genauso wie Scherzgefäße, Andenkenbecher wie Apothekengläser, kunstvoll bemalte Branntweinflaschen und beschliffene Fußbecher wie gepresstes und formgeblasenes Gebrauchsglas.

Geschichte / Leben / Kontext:
Glas - obwohl bereits seit über 4000 Jahren als Werkstoff bekannt - war als Material für Gebrauchsgegenstände lange Zeit von sekundärer Bedeutung. Aufgrund der leichten Zerbrechlichkeit war eine besonders sorgfältige Handhabung erforderlich. Glasobjekte galten lange Zeit als Luxusgüter, wurden dementsprechend aufwendig gestaltet und veredelt und waren wohlhabenden Personen vorbehalten. In den Haushalten der ländlichen Bevölkerung waren Gefäße aus Glas bis weit ins 19. Jahrhundert nur selten anzutreffen, und wenn, dann handelte es sich meist um kunstvoll beschliffene oder bemalte Andenken- oder Hochzeitsgläser. Erst durch die industriell betriebene Massenproduktion konnten auch Angehörige niederer Schichten Becher, Schüsseln und Flaschen aus Glas für den täglichen Gebrauch erstehen.
Dennoch gab es bereits im Mittelalter einen Markt für Gebrauchsgläser, insbesondere Flaschen und Becher, die in sogenannten Waldhütten hergestellt wurden. Für die Standortwahl dieser Glashütten waren mehrere Faktoren entscheidend: einerseits die Nähe zu den Rohstoffen, andererseits auf Grund der Feuergefahr eine entsprechende Distanz zu bewohntem Gebiet. In den dichten Wäldern des mittelalterlichen Europas war beides gegeben. Verwitterter Sandstein fungierte hier als Glasbildner. Holz diente als Brennstoff wie auch als Ausgangsmaterial für Pottasche, die als Schmelzbeschleuniger eingesetzt wurde.
Die hier produzierten Flach- und Hohlgläser waren von einfacher Qualität, die Glasmasse war mit diversen Mineralien verunreinigt. Insbesondere der natürliche Eisenoxidgehalt des Sandes bewirkte bereits bei geringer Dosis eine Grünfärbung des Glases. Durch Zugabe von Manganoxid wäre es zwar möglich gewesen, diese Färbung zu neutralisieren, dieser Aufwand wurde jedoch vermieden. Dieses markant grünlich gefärbte Glas wird nach den Produktionsstätten Waldglas genannt.
Waren die Gefäße des Mittelalters oftmals mit Noppen-, Waffel- oder Wabenmuster verziert, so hatte dies neben einem ästhetischen auch einen sehr praktischen Ursprung. Durch die nicht völlig glatte Oberfläche lag das Gefäß besser in der Hand, konnte weniger leicht entgleiten und zu Bruch gehen. Auch die eigentümliche Gestalt der Nabelflasche, die spätestens seit dem 17. Jahrhundert vor allem in den Alpenländern, insbesondere in Kramsach in Tirol hergestellt wurde, ist auf diesen Gedanken zurückzuführen. Die abgeflachte Wandung kann mit der Hand umfasst werden und findet durch die Rippen optimalen Halt.

Barbara Schaffer-Weinzettl
H: 23 cm
B: 11 cm
T: 8 cm



Originalbild öffnen
Nabelflasche aus grünem Waldglas - Bild 1
Objekt wird zitiert in
Haberlandt, Michael. 1911. Österreichische Volkskunst II. Aus den Sammlungen des Museums für österreichische Volkskunde in Wien. Wien: J. Löwy, S. 24 (Fig. 2) und Tafel 71/2.

Schmidt, Leopold. 1975. Volkstümlich geformtes, bemaltes und geschliffenes Glas. Katalog zur Ausstellung im Schloßmuseum Gobelsburg. Wien: Österreichisches Museum für Volkskunde, S. 16-17 (Katalog Nr. 24) und Abb. III.
Weiterführende Informationen
Dexel, Thomas. 1983. Gebrauchsglas. Gläser des Alltags vom Spätmittelalter bis zum beginnenden 20. Jahrhundert. München: Klinkhardt & Biermann.

Kierdorf-Traut, Georg. 1965. Nabelflaschen aus der Kramsacher Hütte. In Der Schlern. Illustrierte Monatshefte für Heimat- und Volkskunde 39: S. 108-109.

Schack von Wittenau, Clementine. 1979. Die Glaskunst. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag.

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