Fußwaschungsbecher


ÖMV/76.075
Caritas, Dienst des Kaiserhauses an den Armen
Fußwaschungsbecher, Zinn, rund, konisch nach oben geweitet, gewellter Rand, Wandung graviert mit dem kaiserlichen Doppeladler, Jahreszahl 1860 sowie dem Buchstabenband E.A.I.H.B.R.A.A. - Elisabeth Austriae Imperatrix Hungariae Bohemiae Regina Archiduchessa Austriae.
Meistermarke „I.C.NEBBIEN“ (Hintze 1612), Feinzinnmarke, (Ro).

Geschichte / Museum:
Derzeit sind zwei Fußwaschungsbecher in der Dauerausstellung unter dem Thema "Die Ständische Kultur/Armut" zu besichtigen. Sie wurden am 5. Mai 1993 im Dorotheum angekauft.

Geschichte / Leben / Kontext:
Die mittels der Fußwaschungszeremonie gesendete Botschaft war die eines Kaisers als "demütigen, um das Wohl des Volkes sorgenden Diener Gottes". Das kaiserliche Paar wusch alljährlich am Gründonnerstag 24 ausgewählten bedürftigen, betagten Untertanen die Füße. Zwölf Frauen und zwölf Männer, alle über 80 Jahre alt, wurden für diesen Anlass gebadet und neu eingekleidet (nach einer Schilderung von Bertha von Suttner im Roman "Die Waffen nieder" wurden die Proponenten in Altdeutsche Tracht gehüllt). Kaiserin Elisabeth wusch den Greisinnen, Kaiser Franz Joseph den Greisen symbolisch die Füße. Die demütige Haltung, das Knien des Kaiserpaares vor den ausgewählten Untertanen, bedurfte keiner zusätzlichen Handlungen. Die Füße wurden nur mit einem Tuch gestreift, nachdem zuvor symbolisch Wasser über die Füße geleert worden war.
Der Fußwaschung war ein ebenso symbolisches Mahl vorangegangen. Die Alten saßen an einer Tafel, diese wurde gedeckt, und unmittelbar danach von den Erzherzogen als demütige Geste abserviert. Die ausgewählten betagten Untertanen durften Kleidung, Fußwaschungsbecher und -krug neben weiteren Geschenken behalten. Eine Großzügigkeit, die sie mit großer Wahrscheinlichkeit zu schätzen wussten, da ein funktionierendes Pensionssystem noch in weiter Ferne lag.
Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Martin Scheutz vom Institut für Geschichte der Universität Wien erforschte, dass die Fußwaschungen am Gründonnerstag zumindest seit der Frühen Neuzeit ein fester Bestandteil des Osterrituals am Wiener Hof waren. Mit großem Aufwand wurde diese öffentliche, in der Hofburg abgehaltene Zeremonie, die beträchtliche organisatorische Vorbereitungen erforderte, inszeniert. Angesichts der Armut großer Teile der Bevölkerung geriet dieses prunkvolle Schauspiel allerdings zur Farce. Nichtsdestotrotz war der Andrang der Schaulustigen zu dieser Veranstaltung durch all die Jahre ungebrochen groß.

Dagmar Butterweck
H: 14,3 cm
D max.: 11,5 cm



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Fußwaschungsbecher - Bild 1
Fußwaschungsbecher - Bild 1
Fußwaschungsbecher - Bild 2
Fußwaschungsbecher - Bild 3
Objekt wird zitiert in
Dorotheum Auktions-, Versatz- und Bank-Gesellschaft m.b.H. (Hg.). 1993. Antiquitäten. Kunstauktion vom 5. Mai 1993. Wien: Dorotheum, Katalog Nr. 318.
Weiterführende Informationen
Hintze, Erwin (Hg.). 1964. Süddeutsche Zinngießer. Aalen: Otto Zeller Verlagsbuchhandlung, S. 270 (Nr. 1612).

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