Kaffee- und Speiseservice mit Satzschüsseln, 53-teilig
ÖMV/74.725-74.743
Esskultur im Schwämmeldekor
In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts hatte sich im Gebiet Niederschlesiens und der Oberlausitz ein weitgehend übereinstimmender Formenbestand für Gebrauchsware herausgebildet. Dieses sogenannte Bunzlauer Geschirr mit dem typischen zumeist blauen Schwämmeldekor errang überregionale Bekanntheit und wird bis heute als händisch gefertigte Töpferware im traditionellen Stil geschätzt.
Beschreibung:
Feinsteinzeug, weiße Scherbenfarbe, teils gegossen, teils mit Schablone eingedreht bzw. überdreht, leicht aufgewölbter Standboden zwischen einem breiten Standring, manche Stücke tragen einen Pressstempel mit Modellnummer bzw. Größenangabe. Schwämmeldekor im blauen Margeritenmuster (RAL 290 20 35), blaue Punkte zwischen den Rosetten und bei kleinen Gefäßen auch entlang der Henkel, alle Gefäße sind blau gerändert, darüber transparente Feldspatglasur.
Die hohen Gefäße (Kannen, Dosen) haben einen kleinen wulstartigen Fuß, eine bauchige und einfach einziehende Wandung, der Hals ist verengt, der Rand leicht ausbiegend und gerundet, die Innenseite gefalzt. Die Deckel sind gefalzt und haben hohle blaue Knöpfe als Handhaben. Die Kontur der Bandhenkel ist leicht geschwungen. Die Butterdosen sind zylindrisch geformt, der Rand hat einen geraden Abschluss, der Steckdeckel ist gefalzt.
Die flachen Gefäßformen (Teller und Untertassen) haben einen ebenen Spiegel, der übergangslos in die Fahne überführt und in einem ausbiegenden Rand mit gerundetem Abschluss endet. Der flache Kuchenteller steht auf zwei Standringen. Die flachen und tiefen Teller sind durch eine sanfte Stufe zwischen dem Spiegel und der schräg aufsteigenden kurzen Fahne charakterisiert.
Die schalenartigen Gefäße (alle Schüsseln, eine Terrine) besitzen eine weite Wandung, die sich außen über eine kleine Stufe zu einem geraden Rand mit gerundetem Abschluss erweitert. Die Terrine mit Hohldeckel und massiver blauer Handhabe ist nicht gefalzt. Die Tassen sind gebaucht, der Hals leicht einziehend, der Rand ausbiegend und gerundet.
Geschichte / Museum:
Das Service wurde von Ing. Ludwig Papp Ende 1940 in Bunzlau erworben. Es war ein Hochzeitsgeschenk an seine Tochter, die Volkskundlerin Prof. Dr. Helene Grünn. Sie widmete das Geschirr 50 Jahre später dem Volkskundemuseum. Mit der Übernahme dieses Ensembles gelangte ein wichtiger Beleg für die gewerbliche
Keramikproduktion des 20. Jahrhunderts in das Museum. Damit wurde die umfangreiche Keramiksammlung, die seit der Gründung des Museums einen
Sammlungsschwerpunkt bildet und vor allem Fayencen und Hafnerware umfasst, aktualisiert.
Im Jahre 1994 war das Service ein Exponat der Sonderausstellung "Sachgeschichten". Im Kapitel "kaputt/ganz" bildete es einen anschaulichen Kontrast zu einer Gruppe von Keramikscherben, die sich ebenfalls in den Sammlungen des Volkskundemuseums befinden.
Geschichte / Leben / Kontext:
Keramik aus Niederschlesien
Seit 1392 gehörte Schlesien zum Königreich Böhmen und damit zur Monarchie der Habsburger. Im Breslauer Frieden von 1742 wurde es dem Königreich Preußen zugesprochen und erhielt den Namen "Preußisch-Schlesien". In den schlesischen Töpferzentren Naumburg am Queis, heute polnisch Nowogrodziec, und Bunzlau, das heute ebenfalls in Polen liegt und Boleslawiec heißt, wird seit dem Mittelalter Keramik hergestellt. Gute Tonqualität und hohes technisches Können der Töpfer ließen die Ware zu einem hochwertigen Handwerksprodukt werden. Seit dem 17. Jahrhundert verbreitete sich "Bunzlauer Geschirr" als regionaler Begriff über die östlichen Gebiete Deutschlands und die angrenzenden Nachbarländer. Dieses Geschirr nimmt eine Mittelstellung zwischen Steinzeug und hartgebrannter Irdenware ein.
Bekannt ist das "Bunzlauer Geschirr" mit der braunen Lehmglasur, die Krüge und Kannen bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bedeckt. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wird der sogenannte Schwämmeldekor (auch Schwammdekor) immer beliebter. Dieser einfache Zierdekor wurde mit einem eingefärbten zugeschnittenen Schwamm erzeugt. Geeignet waren die sogenannten Levantiner-, Zimmoka- oder Elefantenohrschwämme. Bis heute werden der blau-grüne "Pfauenauge-Dekor" und der blaue "Margeriten-Dekor" mit Geschirr aus der Töpferregion Bunzlau in Verbindung gebracht.
Geschichte der Werkstatt Gerhard Seiler
Der junge Töpfermeister August Seiler gründete im Jahre 1868 seine Werkstatt in Naumburg am Queis, ca. 12 km von Bunzlau entfernt. Zur Blütezeit gab es in dieser Kleinstadt an die 20 Töpfereien. Der Betrieb wurde im Jahre 1906 vom Sohn Oswald übernommen, der im Ersten Weltkrieg fiel. Dessen Frau Anna führte die Werkstatt weiter, bis ihr Sohn Gerhard Seiler (1907-1998) nach dem Besuch der Bunzlauer Fachschule im Jahre 1938 den Betrieb übernahm und die verwandtschaftliche Töpferei Droth aus Ullersdorf in den Betrieb integrierte.
Nach einem Neubeginn in Leutershausen bei Ansbach im Jahre 1948 erlebte die Töpferei einen neuerlichen Aufstieg. 1975 übernahm die Tochter Birgit mit ihrem Mann, dem Töpfermeister Friedrich Moll, den Handwerksbetrieb, der heute weit über die Region hinaus bekannt ist.
Claudia Peschel-Wacha
In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts hatte sich im Gebiet Niederschlesiens und der Oberlausitz ein weitgehend übereinstimmender Formenbestand für Gebrauchsware herausgebildet. Dieses sogenannte Bunzlauer Geschirr mit dem typischen zumeist blauen Schwämmeldekor errang überregionale Bekanntheit und wird bis heute als händisch gefertigte Töpferware im traditionellen Stil geschätzt.
Beschreibung:
Feinsteinzeug, weiße Scherbenfarbe, teils gegossen, teils mit Schablone eingedreht bzw. überdreht, leicht aufgewölbter Standboden zwischen einem breiten Standring, manche Stücke tragen einen Pressstempel mit Modellnummer bzw. Größenangabe. Schwämmeldekor im blauen Margeritenmuster (RAL 290 20 35), blaue Punkte zwischen den Rosetten und bei kleinen Gefäßen auch entlang der Henkel, alle Gefäße sind blau gerändert, darüber transparente Feldspatglasur.
Die hohen Gefäße (Kannen, Dosen) haben einen kleinen wulstartigen Fuß, eine bauchige und einfach einziehende Wandung, der Hals ist verengt, der Rand leicht ausbiegend und gerundet, die Innenseite gefalzt. Die Deckel sind gefalzt und haben hohle blaue Knöpfe als Handhaben. Die Kontur der Bandhenkel ist leicht geschwungen. Die Butterdosen sind zylindrisch geformt, der Rand hat einen geraden Abschluss, der Steckdeckel ist gefalzt.
Die flachen Gefäßformen (Teller und Untertassen) haben einen ebenen Spiegel, der übergangslos in die Fahne überführt und in einem ausbiegenden Rand mit gerundetem Abschluss endet. Der flache Kuchenteller steht auf zwei Standringen. Die flachen und tiefen Teller sind durch eine sanfte Stufe zwischen dem Spiegel und der schräg aufsteigenden kurzen Fahne charakterisiert.
Die schalenartigen Gefäße (alle Schüsseln, eine Terrine) besitzen eine weite Wandung, die sich außen über eine kleine Stufe zu einem geraden Rand mit gerundetem Abschluss erweitert. Die Terrine mit Hohldeckel und massiver blauer Handhabe ist nicht gefalzt. Die Tassen sind gebaucht, der Hals leicht einziehend, der Rand ausbiegend und gerundet.
Geschichte / Museum:
Das Service wurde von Ing. Ludwig Papp Ende 1940 in Bunzlau erworben. Es war ein Hochzeitsgeschenk an seine Tochter, die Volkskundlerin Prof. Dr. Helene Grünn. Sie widmete das Geschirr 50 Jahre später dem Volkskundemuseum. Mit der Übernahme dieses Ensembles gelangte ein wichtiger Beleg für die gewerbliche
Keramikproduktion des 20. Jahrhunderts in das Museum. Damit wurde die umfangreiche Keramiksammlung, die seit der Gründung des Museums einen
Sammlungsschwerpunkt bildet und vor allem Fayencen und Hafnerware umfasst, aktualisiert.
Im Jahre 1994 war das Service ein Exponat der Sonderausstellung "Sachgeschichten". Im Kapitel "kaputt/ganz" bildete es einen anschaulichen Kontrast zu einer Gruppe von Keramikscherben, die sich ebenfalls in den Sammlungen des Volkskundemuseums befinden.
Geschichte / Leben / Kontext:
Keramik aus Niederschlesien
Seit 1392 gehörte Schlesien zum Königreich Böhmen und damit zur Monarchie der Habsburger. Im Breslauer Frieden von 1742 wurde es dem Königreich Preußen zugesprochen und erhielt den Namen "Preußisch-Schlesien". In den schlesischen Töpferzentren Naumburg am Queis, heute polnisch Nowogrodziec, und Bunzlau, das heute ebenfalls in Polen liegt und Boleslawiec heißt, wird seit dem Mittelalter Keramik hergestellt. Gute Tonqualität und hohes technisches Können der Töpfer ließen die Ware zu einem hochwertigen Handwerksprodukt werden. Seit dem 17. Jahrhundert verbreitete sich "Bunzlauer Geschirr" als regionaler Begriff über die östlichen Gebiete Deutschlands und die angrenzenden Nachbarländer. Dieses Geschirr nimmt eine Mittelstellung zwischen Steinzeug und hartgebrannter Irdenware ein.
Bekannt ist das "Bunzlauer Geschirr" mit der braunen Lehmglasur, die Krüge und Kannen bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bedeckt. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wird der sogenannte Schwämmeldekor (auch Schwammdekor) immer beliebter. Dieser einfache Zierdekor wurde mit einem eingefärbten zugeschnittenen Schwamm erzeugt. Geeignet waren die sogenannten Levantiner-, Zimmoka- oder Elefantenohrschwämme. Bis heute werden der blau-grüne "Pfauenauge-Dekor" und der blaue "Margeriten-Dekor" mit Geschirr aus der Töpferregion Bunzlau in Verbindung gebracht.
Geschichte der Werkstatt Gerhard Seiler
Der junge Töpfermeister August Seiler gründete im Jahre 1868 seine Werkstatt in Naumburg am Queis, ca. 12 km von Bunzlau entfernt. Zur Blütezeit gab es in dieser Kleinstadt an die 20 Töpfereien. Der Betrieb wurde im Jahre 1906 vom Sohn Oswald übernommen, der im Ersten Weltkrieg fiel. Dessen Frau Anna führte die Werkstatt weiter, bis ihr Sohn Gerhard Seiler (1907-1998) nach dem Besuch der Bunzlauer Fachschule im Jahre 1938 den Betrieb übernahm und die verwandtschaftliche Töpferei Droth aus Ullersdorf in den Betrieb integrierte.
Nach einem Neubeginn in Leutershausen bei Ansbach im Jahre 1948 erlebte die Töpferei einen neuerlichen Aufstieg. 1975 übernahm die Tochter Birgit mit ihrem Mann, dem Töpfermeister Friedrich Moll, den Handwerksbetrieb, der heute weit über die Region hinaus bekannt ist.
Claudia Peschel-Wacha
Kaffeeservice:
1 Kaffeekanne: H max.: 22,5 cm, D max.: 21,2 cm, BD: 9 cm
1 Sahnegießer: H: 10,3 cm, D max.: 12 cm, BD: 5,5 cm
1 Zuckerdose (Deckel fehlt): H: 7,2 cm, D max.: 14,3 cm, BD: 7,6 cm
5 Tassen: H: 5,8 cm, RD: 9,2 cm, BD: 4,6 cm
6 Untertassen: H: 2,2 cm, RD: 14,8 cm, BD: 8 cm
6 Teller: H: 2,2 cm, RD: 18,4 cm, BD: 12,4 cm
1 (Kuchen-)Teller: H 3,7 cm, RD: 30 cm, BD: 19 cm
1 Butterdose, klein: H max.: 8 cm, RD: 10,9 cm, BD: 9,5 cm
1 Butterdose, groß: H max.: 9,5 cm, RD: 12,8 cm, BD: 11,5 cm
1 Marmeladendose mit Deckel: H max.: 11,8 cm, RD: 8,8 cm, BD: 7 cm
5 Eierbecher: H: 5 cm, RD: 4,5 cm, BD: 4 cm
Speiseservice:
6 Teller, flach: H: 3 cm, RD: 23,2 cm, BD: 14 cm
6 Teller, tief: H: 4,5 cm, RD: 23,2 cm, BD: 12,2 cm
1 Terrine: H max.: 15 cm, RD: 21,5 cm, BD: 13,5 cm
1 Schüssel, konisch: H: 7,5 cm, RD: 20 cm, BD: 11,5 cm
Satzschüsseln:
4 Satzschüsseln, Größe 1: H: 3,8 cm, RD: 11,4 cm, BD: 5,6 cm
4 Satzschüsseln, Größe 2: H 4,3 cm, RD: 13 cm, BD: 6,3 cm
1 Satzschüssel, Größe 3: H: 5,1 cm, RD: 15,5 cm, BD: 8,4 cm
1 Satzschüssel, Größe 6: H: 6,5 cm, RD: 21,3 cm, BD: 13 cm
(RD = Randdurchmesser, BD = Bodendurchmesser)
1 Kaffeekanne: H max.: 22,5 cm, D max.: 21,2 cm, BD: 9 cm
1 Sahnegießer: H: 10,3 cm, D max.: 12 cm, BD: 5,5 cm
1 Zuckerdose (Deckel fehlt): H: 7,2 cm, D max.: 14,3 cm, BD: 7,6 cm
5 Tassen: H: 5,8 cm, RD: 9,2 cm, BD: 4,6 cm
6 Untertassen: H: 2,2 cm, RD: 14,8 cm, BD: 8 cm
6 Teller: H: 2,2 cm, RD: 18,4 cm, BD: 12,4 cm
1 (Kuchen-)Teller: H 3,7 cm, RD: 30 cm, BD: 19 cm
1 Butterdose, klein: H max.: 8 cm, RD: 10,9 cm, BD: 9,5 cm
1 Butterdose, groß: H max.: 9,5 cm, RD: 12,8 cm, BD: 11,5 cm
1 Marmeladendose mit Deckel: H max.: 11,8 cm, RD: 8,8 cm, BD: 7 cm
5 Eierbecher: H: 5 cm, RD: 4,5 cm, BD: 4 cm
Speiseservice:
6 Teller, flach: H: 3 cm, RD: 23,2 cm, BD: 14 cm
6 Teller, tief: H: 4,5 cm, RD: 23,2 cm, BD: 12,2 cm
1 Terrine: H max.: 15 cm, RD: 21,5 cm, BD: 13,5 cm
1 Schüssel, konisch: H: 7,5 cm, RD: 20 cm, BD: 11,5 cm
Satzschüsseln:
4 Satzschüsseln, Größe 1: H: 3,8 cm, RD: 11,4 cm, BD: 5,6 cm
4 Satzschüsseln, Größe 2: H 4,3 cm, RD: 13 cm, BD: 6,3 cm
1 Satzschüssel, Größe 3: H: 5,1 cm, RD: 15,5 cm, BD: 8,4 cm
1 Satzschüssel, Größe 6: H: 6,5 cm, RD: 21,3 cm, BD: 13 cm
(RD = Randdurchmesser, BD = Bodendurchmesser)
Objektklasse
Hersteller/in
Beitragende/r
Herkunft
Objekt wird zitiert in
Österreichisches Museum für Volkskunde (Hg.). 1994. Sach-Geschichten. Aus den Sammlungen des Österreichischen Museums für Volkskunde. Das jüngste Vierteljahrhundert 1969 - 1994. Wien: Österreichisches Museum für Volkskunde (= Kataloge des Österreichischen Museums für Volkskunde 62), S. 68-69. Peschel-Wacha, Claudia. 1997. Bunzlauer Keramik und Keramik nach Bunzlauer Art im Spiegel der Sammlungsgeschichte des Österreichischen Museums für Volkskunde in Wien. In Konrad Spindler (Red.). Beiträge zur Bunzlauer Keramik. Innsbruck: Golf Verlag (= Nearchos 5), S. 69-101.
Weiterführende Informationen
Müller, Heide, Ekkehard Lippert & Inge Lippert. 1986. Bunzlauer Geschirr. Gebrauchsware zwischen Handwerk und Industrie. Berlin: Museum für Deutsche Volkskunde Berlin (= Schriften des Museums für Deutsche Volkskunde Berlin 14). Töpferei Seiler
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