Einblattkalender (Mandlkalender)
ÖMV/40.483
Zeitrechnung und Kirchenjahr
Kalender waren neben Bibeln die am häufigsten gedruckten Textsorten: Schriftliche Zeitweiser sind wertvolle Hilfen nicht nur für Kaufleute zur Terminkoordination, sondern auch für Landwirte zur Arbeitsplanung. Die "Mandlkalender" waren durch die Verwendung von Symbolen auch für die noch in der Barockzeit große Zahl von Analphabeten gut benutzbar.
Beschreibung:
Letterndruck in den Farben schwarz und rot auf Papier, dieses später auf Karton geklebt; links in einer Reihe untereinander schriftliche Angabe der Monatsnamen (teilweise in sogenannter alter deutscher Fassung) mit ikonografisch typischen Darstellungen: "Jenner" (Mann sitzt beim Kachelofen), "Hornung" (Mann wärmt sich am Feuer), "Merz" (Mann beim Baumschnitt mit einer Sichel), "Aprill" (Mann beim Umstechen mit Spaten), "May" (Liebespaar), "Brachmon" (zwei Männer pflügen mit Pferd das Brachfeld), "Heumon" (Mann mit Sense und Frau mit Rechen bei der Mahd), schlecht leserlich "Augstmon" (Frau mit Sichel bei Getreideernte), "Weinmon" (zwei Männer beim Maischeherstellen mit einem Bottich), "Wintermon" (Frau an einer Flachsbrechel), "Wolffmon" (Mann und Frau schlachten ein Schwein).
Rechts jeweils daran anschließend das entsprechende Kalendarium in ebenfalls typischer Weise: schwarze Dreiecke für die Wochentage, rote für die Sonntage; darunter die den Tagen zugeordneten Sternzeichensymbole; darüber je zwei Zeilen mit astronomischen Symbolen (Mondphasen) und Practicazeichen (Wetterprognosen, Tipps - zum Beispiel Haareschneiden), die sich durch Vergleiche mit anderen Kalendern erschließen lassen, jedoch teilweise nur mehr schwer zu erkennen sind; darüber Darstellungen der Tagesheiligen bzw. ihrer Attribute und der jeweiligen Herrenfeste, ca. zehn pro Monat, teilweise mit Hinweisstrichen (zum Beispiel Hl. Dorothea mit Blume und Früchtekorb am 6. Februar, Schiffstau des Hl. Erasmus am 2. Juni, Rad der Hl. Katharina am 25. November), darüber zusätzlich schriftlich die Namen der Heiligen und Feste.
Links unten Angabe von Druck und Verlag durch Michael Stör, Augsburg. Das Papierblatt zwischen April und Mai auseinander geschnitten, jedoch ohne Zwischenraum aufgeklebt, an einigen Stellen beschädigt: oben beschnitten (Symbole im Jänner nur mehr zur Hälfte erkennbar), am rechten Rand einige Stellen abgerissen bzw. -geschnitten, Kalendarium jedoch bis auf den Jänner komplett; etliche Verfärbungen und kleinere Fehlstellen (vermutlich durch Wurmfraß).
Geschichte / Museum:
Ein handschriftlicher Hinweis, datiert mit März 1925 und unterzeichnet mit Berthold/Archivar, auf der Rückseite des Trägerkartons gibt Auskunft darüber, dass das Kalenderblatt im Jahre 1629 zur Herstellung eines Geschäftsbucheinbandes in der Stiftsverwaltung Klosterneuburg Verwendung fand und so die Zeiten überdauerte. Von diesem Einband wieder abgelöst, wurde der Kalender gemeinsam mit einem ähnlichen Stück (Inv.Nr. ÖMV/40.482) im Tausch für etliche Exemplare der "Zeitschrift für österreichische Volkskunde" (der heutigen "Österreichischen Zeitschrift für Volkskunde") dem Museum 1926 anvertraut.
Seit der Neueröffnung der Dauerausstellung 1994 wird der Kalender im Bereich "Die Ordnung des Daseins" gezeigt und steht mit anderen Exponaten für die Zeitauffassung in der agrarischen Gesellschaft.
Geschichte / Leben / Kontext:
Obwohl es in einer Agrargesellschaft wichtig ist, den Ablauf der Jahreszeiten mit den zugehörigen landwirtschaftlichen Tätigkeiten möglichst genau vorherzusehen, war der Besitz eines schriftlichen Kalenders lange Zeit ein Privileg. Über Markt- oder Zinstermine wurde die Bevölkerung im Gottesdienst informiert, ebenso über anstehende christliche Feiertage wie Heiligenfeste oder den Oster- und Weihnachtsfestkreis, die das Jahr strukturierten. Zur Orientierung in der Zeit wurden außerdem Kerbhölzer mit kleineren - häufig dreieckigen - Kerben für die Wochentage und etwas größeren für die Sonntage hergestellt.
Die Erfindung des Buchdrucks brachte eine Demokratisierung und Verbürgerlichung der Zeitverwaltung, indem sie gedruckte Kalender erschwinglich machte. Ab etwa 1500 stellte man "Jahreskalender", wie wir sie heute gewöhnt sind, mit Aufzählung der einzelnen Tage her, unter denen die "Mandlkalender" als direkte Übertragung der Kerbkalender in eine Druckform anzusehen sind. Optisch dominiert werden sie von Abbildungen der Tagesheiligen, die sie auch für die in der Frühen Neuzeit große Zahl an Analphabeten verwendbar machten - daher der Name: "Mandl" heißt "Männchen".
Anhand weiterer Symbole liefern sie, so wie andere Kalendersorten, zusätzliche Informationen, etwa über astronomische Daten (Vollmonde, Äquinoktien etc.) und die sogenannten Practica, also astrologische Angaben, Wettervorhersagen und alle möglichen praktischen Hinweise, zum Beispiel für die Landwirtschaft oder Medizin (Aderlassen ...). Bald nahmen bildliche Ausschmückungen mehr Raum ein. Für die Darstellung der Monate, die auf antike Vorbilder zurück geht, entwickelte sich ein Kanon aus landwirtschaftlichen Szenen.
Kalender sind Gebrauchsgegenstände, die nach Ablauf ihrer Verwendbarkeit weggeworfen werden, weshalb trotz großer Stückzahl nur wenige Exemplare auf uns gekommen sind. Dass ein Kalender - wie das vorliegende Exemplar - nur durch die Nachnutzung erhalten bleibt, ist symptomatisch. Umso erfreulicher ist es, wenn es geschieht.
Kathrin Pallestrang
Kalender waren neben Bibeln die am häufigsten gedruckten Textsorten: Schriftliche Zeitweiser sind wertvolle Hilfen nicht nur für Kaufleute zur Terminkoordination, sondern auch für Landwirte zur Arbeitsplanung. Die "Mandlkalender" waren durch die Verwendung von Symbolen auch für die noch in der Barockzeit große Zahl von Analphabeten gut benutzbar.
Beschreibung:
Letterndruck in den Farben schwarz und rot auf Papier, dieses später auf Karton geklebt; links in einer Reihe untereinander schriftliche Angabe der Monatsnamen (teilweise in sogenannter alter deutscher Fassung) mit ikonografisch typischen Darstellungen: "Jenner" (Mann sitzt beim Kachelofen), "Hornung" (Mann wärmt sich am Feuer), "Merz" (Mann beim Baumschnitt mit einer Sichel), "Aprill" (Mann beim Umstechen mit Spaten), "May" (Liebespaar), "Brachmon" (zwei Männer pflügen mit Pferd das Brachfeld), "Heumon" (Mann mit Sense und Frau mit Rechen bei der Mahd), schlecht leserlich "Augstmon" (Frau mit Sichel bei Getreideernte), "Weinmon" (zwei Männer beim Maischeherstellen mit einem Bottich), "Wintermon" (Frau an einer Flachsbrechel), "Wolffmon" (Mann und Frau schlachten ein Schwein).
Rechts jeweils daran anschließend das entsprechende Kalendarium in ebenfalls typischer Weise: schwarze Dreiecke für die Wochentage, rote für die Sonntage; darunter die den Tagen zugeordneten Sternzeichensymbole; darüber je zwei Zeilen mit astronomischen Symbolen (Mondphasen) und Practicazeichen (Wetterprognosen, Tipps - zum Beispiel Haareschneiden), die sich durch Vergleiche mit anderen Kalendern erschließen lassen, jedoch teilweise nur mehr schwer zu erkennen sind; darüber Darstellungen der Tagesheiligen bzw. ihrer Attribute und der jeweiligen Herrenfeste, ca. zehn pro Monat, teilweise mit Hinweisstrichen (zum Beispiel Hl. Dorothea mit Blume und Früchtekorb am 6. Februar, Schiffstau des Hl. Erasmus am 2. Juni, Rad der Hl. Katharina am 25. November), darüber zusätzlich schriftlich die Namen der Heiligen und Feste.
Links unten Angabe von Druck und Verlag durch Michael Stör, Augsburg. Das Papierblatt zwischen April und Mai auseinander geschnitten, jedoch ohne Zwischenraum aufgeklebt, an einigen Stellen beschädigt: oben beschnitten (Symbole im Jänner nur mehr zur Hälfte erkennbar), am rechten Rand einige Stellen abgerissen bzw. -geschnitten, Kalendarium jedoch bis auf den Jänner komplett; etliche Verfärbungen und kleinere Fehlstellen (vermutlich durch Wurmfraß).
Geschichte / Museum:
Ein handschriftlicher Hinweis, datiert mit März 1925 und unterzeichnet mit Berthold/Archivar, auf der Rückseite des Trägerkartons gibt Auskunft darüber, dass das Kalenderblatt im Jahre 1629 zur Herstellung eines Geschäftsbucheinbandes in der Stiftsverwaltung Klosterneuburg Verwendung fand und so die Zeiten überdauerte. Von diesem Einband wieder abgelöst, wurde der Kalender gemeinsam mit einem ähnlichen Stück (Inv.Nr. ÖMV/40.482) im Tausch für etliche Exemplare der "Zeitschrift für österreichische Volkskunde" (der heutigen "Österreichischen Zeitschrift für Volkskunde") dem Museum 1926 anvertraut.
Seit der Neueröffnung der Dauerausstellung 1994 wird der Kalender im Bereich "Die Ordnung des Daseins" gezeigt und steht mit anderen Exponaten für die Zeitauffassung in der agrarischen Gesellschaft.
Geschichte / Leben / Kontext:
Obwohl es in einer Agrargesellschaft wichtig ist, den Ablauf der Jahreszeiten mit den zugehörigen landwirtschaftlichen Tätigkeiten möglichst genau vorherzusehen, war der Besitz eines schriftlichen Kalenders lange Zeit ein Privileg. Über Markt- oder Zinstermine wurde die Bevölkerung im Gottesdienst informiert, ebenso über anstehende christliche Feiertage wie Heiligenfeste oder den Oster- und Weihnachtsfestkreis, die das Jahr strukturierten. Zur Orientierung in der Zeit wurden außerdem Kerbhölzer mit kleineren - häufig dreieckigen - Kerben für die Wochentage und etwas größeren für die Sonntage hergestellt.
Die Erfindung des Buchdrucks brachte eine Demokratisierung und Verbürgerlichung der Zeitverwaltung, indem sie gedruckte Kalender erschwinglich machte. Ab etwa 1500 stellte man "Jahreskalender", wie wir sie heute gewöhnt sind, mit Aufzählung der einzelnen Tage her, unter denen die "Mandlkalender" als direkte Übertragung der Kerbkalender in eine Druckform anzusehen sind. Optisch dominiert werden sie von Abbildungen der Tagesheiligen, die sie auch für die in der Frühen Neuzeit große Zahl an Analphabeten verwendbar machten - daher der Name: "Mandl" heißt "Männchen".
Anhand weiterer Symbole liefern sie, so wie andere Kalendersorten, zusätzliche Informationen, etwa über astronomische Daten (Vollmonde, Äquinoktien etc.) und die sogenannten Practica, also astrologische Angaben, Wettervorhersagen und alle möglichen praktischen Hinweise, zum Beispiel für die Landwirtschaft oder Medizin (Aderlassen ...). Bald nahmen bildliche Ausschmückungen mehr Raum ein. Für die Darstellung der Monate, die auf antike Vorbilder zurück geht, entwickelte sich ein Kanon aus landwirtschaftlichen Szenen.
Kalender sind Gebrauchsgegenstände, die nach Ablauf ihrer Verwendbarkeit weggeworfen werden, weshalb trotz großer Stückzahl nur wenige Exemplare auf uns gekommen sind. Dass ein Kalender - wie das vorliegende Exemplar - nur durch die Nachnutzung erhalten bleibt, ist symptomatisch. Umso erfreulicher ist es, wenn es geschieht.
Kathrin Pallestrang
H: 49,5 cm
B: 22 cm
B: 22 cm
Objektklasse
Hersteller/in
Beitragende/r
Datierung
Technik
Sammlung
Weiterführende Informationen
Pallestrang, Kathrin. 2005. Vom Kerbkalender zum "Organizer". Der Kalender als Alltagsgegenstand. In Wolfgang Hameter, Meta Niederkorn & Martin Scheutz (Hg.). Ideologisierte Zeit. Kalender und Zeitvorstellungen im Abendland von der Antike bis zur Neuzeit. Innsbruck u.a.: Studien-Verlag (= Querschnitte 17), S. 257-275. Rosenfeld, Hellmut. 1962. Kalender, Einblattkalender, Bauernkalender und Bauernpraktik. Mit dem Text der Bauernpraktik von 1508 und eines Bauernkalenders von 1574. Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1962: S. 7-24.
Schindler, Robert. 1958. Linzer und Wiener Mandl-Kalender aus Buchdeckelfunden im Oberösterreichischen Landesarchiv. Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1958: S. 415-424.
Walter, Sepp. 1992. Der steirische Mandlkalender. Seine Zeichen und Bilder. Graz: Leykam.
Wendorff, Rudolf. 1993. Zeit und Kultur. Geschichte des Zeitbewußtseins in Europa. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Wendorff, Rudolf. 1993. Tag und Woche, Monat und Jahr. Eine Kulturgeschichte des Kalenders. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Kommentare