Lichtschirm mit "Spinnwebbild"


ÖMV/34.849
Vergessene Kleinkunst
Lichtschirm mit einer, zwischen zwei Glasplatten montierten, auf dem Gewebe der Raupe der Gespinstmotte aquarellierten Darstellung des Hl. Johannes des Täufers.
Angefertigt um 1800 in Südtirol, dem Maler Johann Burgmann zugeschrieben.

Beschreibung:
Das auf den zarten Malgrund aus dem Gewebe der Raupe der Gespinstmotte gemalte Aquarell liegt in einem gold bemalten Papprahmen zwischen zwei Glasscheiben, eingesetzt in einen hochrechteckigen Standrahmen aus Kirschholz mit Lunettenaufsatz.
Das Aquarell zeigt, von einem hochoval angelegten Goldstreifen begrenzt, den Hl. Johannes den Täufer auf hellblauem Grund. Der Heilige hält in seiner Rechten den Stab mit Spruchband, die linke Hand ist segnend gegen den Himmel erhoben. Ein goldener Schnörkelrahmen mit Blumengirlanden umgibt die Darstellung. Das Bild ist bezeichnet mit "S. Johanes Bapt:", aber nicht signiert. Der durchscheinende Malgrund zwischen den beiden Glasplatten erlaubt eine beidseitige Betrachtung. Allerdings ist das Aquarell seitenverkehrt in den Rahmen eingesetzt, weshalb die Schauseite des Lichtschirms die Rückseite des Aquarells mit spiegelverkehrter Schrift zeigt.
Da der Malgrund mehrfach gerissen ist, weist das sonst intakte Mittelbild wellige Verformungen durch das Absinken im Standrahmen auf.

Geschichte / Museum:
Aufgrund des schlechten Bildzustandes und des lichtempfindlichen Materials werden Objekte dieser Art in der Studiensammlung aufbewahrt und nur selten in Ausstellungen gezeigt. Die einzigartigen Bilder sind aber auch auf Grund ihrer Seltenheit kaum publik.
Ein derartiger Lichtschirm, mit einer Darstellung der Hl. Franziska, im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum wird von Toldt (vgl. Toldt 1953: 172 und Abb. 3) dem Südtiroler Maler Johann Burgmann zugeschrieben. An gleicher Stelle verweist er auf den im Volkskundemuseum befindlichen Lichtschirm als eine weitere Arbeit Burgmanns. Neben den zarten Blumengehängen sind auch die gold bemalten Papprahmen mit dem Zwiebelmuster der beiden Objekte typisch für diesen Künstler.

Geschichte / Leben / Kontext:
Es gehört zum Wesen des Menschen, immer neue Materialien als Träger für seine künstlerischen Fertigkeiten zu finden. Neben Papyrus, Pergament und Papier verwendete man etwa auch skelettierte Eichenblätter. Aber vor allem die hauchdünnen, seidenpapierähnlichen Malgründe einheimischer Gespinstmotten zählen zu den selten erhaltenen Raritäten, deren Herstellung längst in Vergessenheit geraten ist.
Die irreführende Bezeichnung "Spinnwebbilder" lässt auf die Verwendung von Netzen der Spinnen schließen. Mag die Verwendung von Spinnweben auch nicht auszuschließen sein, so wurde doch die vorwiegende Verwendung des Gewebes aus den Gespinsten der Raupen der Gespinstmotte bewiesen (vgl. Toldt 1942). Diese Raupen bevorzugen das Laub der strauch- oder baumförmig wachsenden Traubenkirsche, welche sie nach dem Kahlfraß mit einem feinen Gespinst überziehen. Dieses ist wesentlich dichter als das der Spinnen.
Bekannt sind vor allem die Bilder von Johann Burgmann, welcher neben der Signatur oft eine Spinne und gelegentlich eine Fliege auf seine Werke malte. Dies und die Verwechslung des ähnlich aussehenden Materials führte zur Bezeichnung "Spinnwebbilder", während die passende Bezeichnung "Raupengespinstbilder" wäre.

Nora Witzmann
H: 38 cm
B: 25,5 cm
T: 7,5 cm



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Lichtschirm mit "Spinnwebbild" - Bild 1
Objekt wird zitiert in
Toldt, Karl. 1953. Zu den Forschungen über die "Tiroler Spinnwebenbilder". In Der Schlern 27/Heft 4: S. 172.
Weiterführende Informationen
Toldt, Karl. 1942. Spinnen- oder Raupengespinste als Malgrund? In Zoologischer Anzeiger 139/Heft 7-8: S. 129-149.

Toldt, Karl. 1949. Über die Tiroler Spinnweben- bzw. Raupengespinst-Bilder. In Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum 26-29. Innsbruck: Wagner, S. 167-206.

Toldt, Karl. 1950. Über die Tiroler Spinnwebenbilder-Maler. In Tiroler Heimatblätter 25/Heft 5-6: S. 67-75.

Toldt, Karl. 1953. Zu den Forschungen über die "Tiroler Spinnwebenbilder". In Der Schlern 27/Heft 4: S.165-174.

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