Salzbehälter in Form einer Henne
ÖMV/32.657
Konservierung und Vorratshaltung
Salz war lange ein Symbol des Überlebens, da es ein Haltbarmachen von Nahrungsmitteln ermöglicht. Salzbehälter waren daher in allen sozialen Schichten besondere Gegenstände. Etliche hennenförmige Gefäße, wie sie in der Maurienne im 18. Jahrhundert in Verwendung waren, konnte die Reliktforscherin Eugenie Goldstern Anfang des 20. Jahrhunderts noch sammeln.
Beschreibung:
Aus einem liegenden Block Zirbenholz dickwandig geschnitzter, fast kugelförmiger Körper; Standfläche und Bereich der Öffnung abgeflacht; über den Rand senkrecht aufragender kleiner stilisierter Vogelkopf; auf der Gegenseite horizontal abstehender, trapezförmiger Schwanzfortsatz mit Bohrloch für Deckelzapfen, der Deckel fehlt; auf die Brust des Vogels 15-teiliger Blattspross und hinten in den Schwanz die Jahreszahl 1773 eingeschnitten.
Geschichte / Museum:
Den strengen Winter von 1913/14 über wohnte Eugenie Goldstern zu Forschungszwecken in der Stallwohnung des Hoteliers Cimaz in Bessans in der Hochmaurienne (Savoyen, Frankreich). Stallwohnungen dienten dort der Wärme wegen während der kalten Jahreszeit Menschen und Tieren gemeinsam als Unterkunft. Goldstern machte Aufzeichnungen über das Leben und Wirtschaften in Bessans, dokumentierte dieses mithilfe von Fotografien und sammelte zahlreiche Arbeitsgeräte und Alltagsgegenstände sowie Volkskunst. Während eines weiteren Aufenthalts im Juni 1914 musste sie Bessans fluchtartig verlassen, weil sie wegen ihrer Fotografiertätigkeit für eine Spionin gehalten wurde.
Ihre Forschungen fasste sie in ihrer Doktorarbeit über Bessans zusammen, mit der sie 1920 bei Paul Girardin in Fribourg promovierte. Eugenie Goldstern hatte, nachdem sie 1905 vor den Pogromen in ihrer Geburtsstadt Odessa nach Wien geflüchtet war, 1910/11 bei Michael Haberlandt, dem ersten Direktor und Mitbegründer des Volkskundemuseums, zu studieren begonnen. Ihre umfangreichen Sammlungen aus Savoyen brachte sie in das Museum ein. Neben mehreren Salzbehältern waren es unter anderem Milchverarbeitungsgeräte, Hausrat, Geräte zur Textilverarbeitung, geistliche und profane Skulpturen. Weitere Reisen führten Goldstern ins Lammertal (Salzburg), ins Wallis, Münstertal (Schweiz) und Aostatal (Italien). Immer wieder erwarb das Volkskundemuseum von ihr wichtige Sammlungsbestände, und Goldstern publizierte im Rahmen der Museumsschriften zahlreiche Abhandlungen.
Leider ließ das Museum, das seit 1924 von Arthur Haberlandt geleitet wurde, den Kontakt zu ihr abreißen. Wie man den wenigen schriftlichen Dokumenten, die sich im Museum erhalten haben, entnehmen kann, litt sie - nicht zuletzt aufgrund des wachsenden Antisemitismus - zunehmend an Depressionen. Eugenie Goldstern musste mit ansehen, wie sich der Terror der Nationalsozialisten gegen sie und ihre Familie wandte und diese um den gesamten Besitz brachte. Im Juni 1942 wurde sie nach Polen deportiert und ermordet.
Exponate aus der "Sammlung Goldstern" bildeten bis zur Umgestaltung der Dauerausstellung des Museums nach dem Zweiten Weltkrieg einen Bereich der Abteilung "Frankreich" und waren danach in Sonderausstellungen zu sehen. Der betreffende Salzbehälter aus Bessans wird seit der Neueröffnung der Dauerausstellung 1994 im Bereich "Mensch und Umwelt" im Raum "Natur und Zivilisation" gezeigt.
Geschichte / Leben / Kontext:
Salz war Jahrhunderte lang ein teures, hochgeschätztes und überlebenswichtiges Gut. Während in den bäuerlichen Betrieben bis ins Hochmittelalter hinein meist Mangel auch an Salz herrschte, war es ab der frühen Neuzeit für die meisten Haushalte leistbar - wenn auch nach wie vor kostspielig.
Salz war vor allem zum Haltbarmachen von Lebensmitteln in großen Mengen notwendig. Nach dem Schlachten des Viehs im Herbst wurde Fleisch eingepökelt. Auch Butter und Käse wurden mit Salz konserviert. Eine nicht zu unterschätzende Menge an Salz wurde dem Vieh zugefüttert, da ein Mangel dieses Minerals bei Schafen, Ziegen und Kühen unmittelbare Auswirkungen auf die Qualität der Milch hat.
Salz wurde in großen Brocken verkauft und musste für den Gebrauch zerkleinert werden, was meist mittels eines Mörsers geschah. Es war ein besonderes Gut, ein Symbol für das Überleben schlechthin, und die Salzfässchen daher besondere Haushaltsgegenstände in allen sozialen Schichten. Eugenie Goldstern sammelte die vogelförmigen Salzbehälter, wie sie im 18. Jahrhundert in Bessans und der Mittleren Maurienne in Verwendung waren und an der Wand über dem Kaminherd hingen. Wie viele Dinge, die sie besonders interessierten, waren auch diese Salzgefäße nur noch in wenigen Haushalten in Verwendung, den Einheimischen aber noch in Erinnerung. Einige Exemplare, die sie fand, waren inzwischen zu Kinderspielzeug umfunktioniert.
Goldstern versucht in ihrer Publikation über Bessans eine Verbindung zwischen der magisch-religiösen Bedeutung von Salz und der Vogelform der Gefäße herzustellen. Gefäße in Tierform sind und waren in vielen Kulturen in Gebrauch. So weist sie auf vogelförmige Gefäße hin, die in der Hallstattzeit in Verwendung waren. Ein Zusammenhang mit den savoyischen Salzbehältern ist jedoch nicht nachweisbar. Auch eine besondere kultische Verwendung von Salz in Bessans konnte Goldstern nicht feststellen.
Kathrin Pallestrang
Salz war lange ein Symbol des Überlebens, da es ein Haltbarmachen von Nahrungsmitteln ermöglicht. Salzbehälter waren daher in allen sozialen Schichten besondere Gegenstände. Etliche hennenförmige Gefäße, wie sie in der Maurienne im 18. Jahrhundert in Verwendung waren, konnte die Reliktforscherin Eugenie Goldstern Anfang des 20. Jahrhunderts noch sammeln.
Beschreibung:
Aus einem liegenden Block Zirbenholz dickwandig geschnitzter, fast kugelförmiger Körper; Standfläche und Bereich der Öffnung abgeflacht; über den Rand senkrecht aufragender kleiner stilisierter Vogelkopf; auf der Gegenseite horizontal abstehender, trapezförmiger Schwanzfortsatz mit Bohrloch für Deckelzapfen, der Deckel fehlt; auf die Brust des Vogels 15-teiliger Blattspross und hinten in den Schwanz die Jahreszahl 1773 eingeschnitten.
Geschichte / Museum:
Den strengen Winter von 1913/14 über wohnte Eugenie Goldstern zu Forschungszwecken in der Stallwohnung des Hoteliers Cimaz in Bessans in der Hochmaurienne (Savoyen, Frankreich). Stallwohnungen dienten dort der Wärme wegen während der kalten Jahreszeit Menschen und Tieren gemeinsam als Unterkunft. Goldstern machte Aufzeichnungen über das Leben und Wirtschaften in Bessans, dokumentierte dieses mithilfe von Fotografien und sammelte zahlreiche Arbeitsgeräte und Alltagsgegenstände sowie Volkskunst. Während eines weiteren Aufenthalts im Juni 1914 musste sie Bessans fluchtartig verlassen, weil sie wegen ihrer Fotografiertätigkeit für eine Spionin gehalten wurde.
Ihre Forschungen fasste sie in ihrer Doktorarbeit über Bessans zusammen, mit der sie 1920 bei Paul Girardin in Fribourg promovierte. Eugenie Goldstern hatte, nachdem sie 1905 vor den Pogromen in ihrer Geburtsstadt Odessa nach Wien geflüchtet war, 1910/11 bei Michael Haberlandt, dem ersten Direktor und Mitbegründer des Volkskundemuseums, zu studieren begonnen. Ihre umfangreichen Sammlungen aus Savoyen brachte sie in das Museum ein. Neben mehreren Salzbehältern waren es unter anderem Milchverarbeitungsgeräte, Hausrat, Geräte zur Textilverarbeitung, geistliche und profane Skulpturen. Weitere Reisen führten Goldstern ins Lammertal (Salzburg), ins Wallis, Münstertal (Schweiz) und Aostatal (Italien). Immer wieder erwarb das Volkskundemuseum von ihr wichtige Sammlungsbestände, und Goldstern publizierte im Rahmen der Museumsschriften zahlreiche Abhandlungen.
Leider ließ das Museum, das seit 1924 von Arthur Haberlandt geleitet wurde, den Kontakt zu ihr abreißen. Wie man den wenigen schriftlichen Dokumenten, die sich im Museum erhalten haben, entnehmen kann, litt sie - nicht zuletzt aufgrund des wachsenden Antisemitismus - zunehmend an Depressionen. Eugenie Goldstern musste mit ansehen, wie sich der Terror der Nationalsozialisten gegen sie und ihre Familie wandte und diese um den gesamten Besitz brachte. Im Juni 1942 wurde sie nach Polen deportiert und ermordet.
Exponate aus der "Sammlung Goldstern" bildeten bis zur Umgestaltung der Dauerausstellung des Museums nach dem Zweiten Weltkrieg einen Bereich der Abteilung "Frankreich" und waren danach in Sonderausstellungen zu sehen. Der betreffende Salzbehälter aus Bessans wird seit der Neueröffnung der Dauerausstellung 1994 im Bereich "Mensch und Umwelt" im Raum "Natur und Zivilisation" gezeigt.
Geschichte / Leben / Kontext:
Salz war Jahrhunderte lang ein teures, hochgeschätztes und überlebenswichtiges Gut. Während in den bäuerlichen Betrieben bis ins Hochmittelalter hinein meist Mangel auch an Salz herrschte, war es ab der frühen Neuzeit für die meisten Haushalte leistbar - wenn auch nach wie vor kostspielig.
Salz war vor allem zum Haltbarmachen von Lebensmitteln in großen Mengen notwendig. Nach dem Schlachten des Viehs im Herbst wurde Fleisch eingepökelt. Auch Butter und Käse wurden mit Salz konserviert. Eine nicht zu unterschätzende Menge an Salz wurde dem Vieh zugefüttert, da ein Mangel dieses Minerals bei Schafen, Ziegen und Kühen unmittelbare Auswirkungen auf die Qualität der Milch hat.
Salz wurde in großen Brocken verkauft und musste für den Gebrauch zerkleinert werden, was meist mittels eines Mörsers geschah. Es war ein besonderes Gut, ein Symbol für das Überleben schlechthin, und die Salzfässchen daher besondere Haushaltsgegenstände in allen sozialen Schichten. Eugenie Goldstern sammelte die vogelförmigen Salzbehälter, wie sie im 18. Jahrhundert in Bessans und der Mittleren Maurienne in Verwendung waren und an der Wand über dem Kaminherd hingen. Wie viele Dinge, die sie besonders interessierten, waren auch diese Salzgefäße nur noch in wenigen Haushalten in Verwendung, den Einheimischen aber noch in Erinnerung. Einige Exemplare, die sie fand, waren inzwischen zu Kinderspielzeug umfunktioniert.
Goldstern versucht in ihrer Publikation über Bessans eine Verbindung zwischen der magisch-religiösen Bedeutung von Salz und der Vogelform der Gefäße herzustellen. Gefäße in Tierform sind und waren in vielen Kulturen in Gebrauch. So weist sie auf vogelförmige Gefäße hin, die in der Hallstattzeit in Verwendung waren. Ein Zusammenhang mit den savoyischen Salzbehältern ist jedoch nicht nachweisbar. Auch eine besondere kultische Verwendung von Salz in Bessans konnte Goldstern nicht feststellen.
Kathrin Pallestrang
H: 24 cm
L: 18 cm
D: 25 cm
L: 18 cm
D: 25 cm
Objektklasse
Hersteller/in
Beitragende/r
Datierung
Material
Abbildung
Sammlung
Objekt wird zitiert in
Goldstern, Eugenie. 1922. Hochgebirgsvolk in Savoyen und Graubünden. Ein Beitrag zur romanischen Volkskunde. Teil I. Bessans. Volkskundliche monographische Studie über eine savoyische Hochgebirgsgemeinde (Frankreich). Wien: Verlag des Vereines für Volkskunde, Taf. XI, Fig. 7. Weiterführende Informationen
Bergier, Jean-François. 1989. Die Geschichte vom Salz. Frankfurt a.M., New York: Campus-Verlag. Grieshofer, Franz, Kathrin Pallestrang & Nora Witzmann (Red.). 2004. Ur-Ethnographie. Auf der Suche nach dem Elementaren in der Kultur. Die Sammlung Eugenie Goldstern. Wien: Österreichisches Museum für Volkskunde (= Kataloge des Österreichischen Museums für Volkskunde 85).
Hocquet, Jean-Claude & Rudolf Palme (Hg.). 1991. Das Salz in der Rechts- und Handelsgeschichte. Internationaler Salzgeschichtekongreß, 26. September bis 1. Oktober 1990, Hall in Tirol. Kongreßakten. Schwaz: Berenkamp.
Hocquet, Jean-Claude. 1993. Weißes Gold. Das Salz und die Macht in Europa von 800 bis 1800. Stuttgart: Klett-Cotta.
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