Volkskundemuseum Wien
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In Massenmedien, in Internet-Foren und auf politischer Ebene sind aktuell Diskussionen über vermeintliche Effekte der Flüchtlingskrise entbrannt, die oftmals wenig sachlich verlaufen, dafür jedoch Ängste und Fremdenfeindlichkeit schüren. Verstärkt wird dabei damit argumentiert, dass von Flüchtlingen eine Gefährdung ausgehe speziell für Heimat, Kultur und Identität. Die politische Instrumentalisierung dieser historisch bereits vielfach für unterschiedliche Zwecke genutzten Bilder und Begrifflichkeiten betrachten wir mit Sorge.
Das heutige Alltagsverständnis von Heimat entstand seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in Zusammenhang mit der bürgerlichen Gesellschaft. Heimat wurde als ein Wunsch-Ort stilisiert, der Sehnsüchte enthält und Verlustängste kompensiert. Aufgeladen mit Ideologien der Ausgrenzung und Wir-Behauptung war und ist die Vorstellung von Heimat leicht auch ein Ausgangspunkt für Vertreibung und sogar Vernichtung. Dieses Reden über Heimat hat mit der gegenwärtigen mobilen Gesellschaft an Bedeutung gewonnen. Allerdings wird in der Regel übersehen, dass Menschen mehrere Zugehörigkeiten haben (können).
In problematischer Weise wird auch in der politischen und medialen Diskussion in Österreich von Kultur und Identität gesprochen, als ob es sich dabei um feststehende Kategorien handele und als ob es keine innergesellschaftlichen Unterschiede gäbe. Diese scheinbar kulturwissenschaftlich geführten Debatten entbehren einer differenzierten wissenschaftlichen Begründung.
Als VertreterInnen eines universitären Fachs, das auf ein Jahrhundert der Beschäftigung mit Alltagskulturen und mit der Reflexion kultureller Diversität und Differenz zurückblicken kann, müssen wir einer politischen Instrumentalisierung dieser Begriffe entschieden widersprechen: Der Blick auf die Geschichte zeigt, dass Kultur und Identität im Laufe der Geschichte vielfach auf gefährliche Weise verwendet wurden, um das Fremde vom vermeintlich Eigenen abzugrenzen und Menschen auszuschließen wie in der aktuellen Diskussion.
Gerade die Entwicklung Österreichs zeigt deutlich, dass infolge migrantischer Mobilität Mehrsprachigkeit und kulturelle Pluralität schon immer integraler Bestandteil der gesellschaftlichen Entwicklung waren. Die Vorstellung von Kulturen als einheitlichen, nach außen geschlossenen Containern oder als nationale Besitzstände, die zudem noch in nationale Grenzen zu gießen wären, war und ist eine wirkmächtige Fiktion. Was wir als Kultur betrachten, ist nicht naturgegeben, sondern wird von allen am Alltagsleben beteiligten Menschen stets neu ausgehandelt und mit Bedeutung versehen: Kultur ist dynamisch, richtungsoffen und in Bewegung. Diese Prozesse sind immer auch von Ungleichheiten und Macht geprägt bzw. stellen diese her. Wir erkennen folglich fremdenfeindliche und diskriminierende Aussagen gegenüber anderen Gruppen als Versuch, eigene Ansprüche auf die Definition von Kultur zu rechtfertigen und eigene politische Einflussbereiche zu vergrößern.
Solchen politischen Ansprüchen dient auch die derzeitige Krisenrhetorik, die ZuwandererInnen eine Bedrohung unterstellt. Dabei verdeckt sie die Gründe und Dynamik für die aktuelle Zuspitzung der Lage von Flüchtlingen. Diese wurzeln in europäischen Migrationspolitiken, die jahrzehntelang auf die Militarisierung und Sicherung der Außengrenzen ausgerichtet waren, anstatt für sichere Migrationswege und die koordinierte Aufnahme von international Schutzbedürftigen aus Kriegsgebieten zu sorgen.
Politische Entscheidungen und Aktivitäten sind aktuell auf kurzfristige Krisenbewältigung ausgelegt. Nicht zuletzt das Erstarken fremdenfeindlich gesinnter Gruppen macht jedoch deutlich, wie dringend der Bedarf an Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Lösungen ist. Eine integrative und demokratische Kulturpolitik würde allen gesellschaftlichen Gruppen und Schichten den Zugang zu sozialer, ökonomischer, demokratischer und kultureller Teilhabe ermöglichen. (28.11.2015)
Unterzeichnende Universitätsinstitute, Museen, Vereine und Fachverbände:
Abteilung Kulturanthropologie, Institut für Kultur-, Literatur- und Musikwissenschaften, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Celovec
Fach Europäische Ethnologie im Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Institut für Europäische Ethnologie, Universität Wien
Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie, Karl-Franzens-Universität Graz
Volkskundemuseum am Universalmuseum Joanneum, Graz
Österreichisches Museum für Volkskunde, Wien
Österreichischer Fachverband für Volkskunde
Verein für Volkskunde, Wien
Kontakt
Österreichischer Fachverband für Volkskunde
p. A. Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie der Universität Graz
Attemgasse 25/1, 8010 Graz
ZVR-Zahl 592792150
Vorsitzende: Univ.-Prof. Dr. Johanna Rolshoven
Tel.: +43 (0)316 380 2581; Fax: +43 (0)316 380 9778
office@volkskunde.org
www.volkskunde.org
Kontaktpersonen an den österreichischen Universitäts-Instituten
* Univ.-Prof. Dr. Gilles Reckinger, Universität Innsbruck, gilles.reckinger@uibk.ac.at
* Univ.-Prof. Dr. Johanna Rolshoven, Karl-Franzens-Universität Graz, johanna.rolshoven@uni-graz.at
* Univ.-Prof. Dr. Brigitta Schmidt-Lauber, Universität Wien, brigitta.schmidt-lauber@univie.ac.at
* Univ.-Prof. Dr. Klaus Schönberger, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Celovec, klaus.schoenberger@aau.at
Kontaktperson für die Museen und Vereine
* Matthias Beitl, Volkskundemuseum Wien, matthias.beitl@volkskundemuseum.at
Foto: (c) Train of hope
Das heutige Alltagsverständnis von Heimat entstand seit dem Ende des 18. Jahrhunderts in Zusammenhang mit der bürgerlichen Gesellschaft. Heimat wurde als ein Wunsch-Ort stilisiert, der Sehnsüchte enthält und Verlustängste kompensiert. Aufgeladen mit Ideologien der Ausgrenzung und Wir-Behauptung war und ist die Vorstellung von Heimat leicht auch ein Ausgangspunkt für Vertreibung und sogar Vernichtung. Dieses Reden über Heimat hat mit der gegenwärtigen mobilen Gesellschaft an Bedeutung gewonnen. Allerdings wird in der Regel übersehen, dass Menschen mehrere Zugehörigkeiten haben (können).
In problematischer Weise wird auch in der politischen und medialen Diskussion in Österreich von Kultur und Identität gesprochen, als ob es sich dabei um feststehende Kategorien handele und als ob es keine innergesellschaftlichen Unterschiede gäbe. Diese scheinbar kulturwissenschaftlich geführten Debatten entbehren einer differenzierten wissenschaftlichen Begründung.
Als VertreterInnen eines universitären Fachs, das auf ein Jahrhundert der Beschäftigung mit Alltagskulturen und mit der Reflexion kultureller Diversität und Differenz zurückblicken kann, müssen wir einer politischen Instrumentalisierung dieser Begriffe entschieden widersprechen: Der Blick auf die Geschichte zeigt, dass Kultur und Identität im Laufe der Geschichte vielfach auf gefährliche Weise verwendet wurden, um das Fremde vom vermeintlich Eigenen abzugrenzen und Menschen auszuschließen wie in der aktuellen Diskussion.
Gerade die Entwicklung Österreichs zeigt deutlich, dass infolge migrantischer Mobilität Mehrsprachigkeit und kulturelle Pluralität schon immer integraler Bestandteil der gesellschaftlichen Entwicklung waren. Die Vorstellung von Kulturen als einheitlichen, nach außen geschlossenen Containern oder als nationale Besitzstände, die zudem noch in nationale Grenzen zu gießen wären, war und ist eine wirkmächtige Fiktion. Was wir als Kultur betrachten, ist nicht naturgegeben, sondern wird von allen am Alltagsleben beteiligten Menschen stets neu ausgehandelt und mit Bedeutung versehen: Kultur ist dynamisch, richtungsoffen und in Bewegung. Diese Prozesse sind immer auch von Ungleichheiten und Macht geprägt bzw. stellen diese her. Wir erkennen folglich fremdenfeindliche und diskriminierende Aussagen gegenüber anderen Gruppen als Versuch, eigene Ansprüche auf die Definition von Kultur zu rechtfertigen und eigene politische Einflussbereiche zu vergrößern.
Solchen politischen Ansprüchen dient auch die derzeitige Krisenrhetorik, die ZuwandererInnen eine Bedrohung unterstellt. Dabei verdeckt sie die Gründe und Dynamik für die aktuelle Zuspitzung der Lage von Flüchtlingen. Diese wurzeln in europäischen Migrationspolitiken, die jahrzehntelang auf die Militarisierung und Sicherung der Außengrenzen ausgerichtet waren, anstatt für sichere Migrationswege und die koordinierte Aufnahme von international Schutzbedürftigen aus Kriegsgebieten zu sorgen.
Politische Entscheidungen und Aktivitäten sind aktuell auf kurzfristige Krisenbewältigung ausgelegt. Nicht zuletzt das Erstarken fremdenfeindlich gesinnter Gruppen macht jedoch deutlich, wie dringend der Bedarf an Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Lösungen ist. Eine integrative und demokratische Kulturpolitik würde allen gesellschaftlichen Gruppen und Schichten den Zugang zu sozialer, ökonomischer, demokratischer und kultureller Teilhabe ermöglichen. (28.11.2015)
Unterzeichnende Universitätsinstitute, Museen, Vereine und Fachverbände:
Abteilung Kulturanthropologie, Institut für Kultur-, Literatur- und Musikwissenschaften, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Celovec
Fach Europäische Ethnologie im Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie, Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
Institut für Europäische Ethnologie, Universität Wien
Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie, Karl-Franzens-Universität Graz
Volkskundemuseum am Universalmuseum Joanneum, Graz
Österreichisches Museum für Volkskunde, Wien
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p. A. Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie der Universität Graz
Attemgasse 25/1, 8010 Graz
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Vorsitzende: Univ.-Prof. Dr. Johanna Rolshoven
Tel.: +43 (0)316 380 2581; Fax: +43 (0)316 380 9778
office@volkskunde.org
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Kontaktpersonen an den österreichischen Universitäts-Instituten
* Univ.-Prof. Dr. Gilles Reckinger, Universität Innsbruck, gilles.reckinger@uibk.ac.at
* Univ.-Prof. Dr. Johanna Rolshoven, Karl-Franzens-Universität Graz, johanna.rolshoven@uni-graz.at
* Univ.-Prof. Dr. Brigitta Schmidt-Lauber, Universität Wien, brigitta.schmidt-lauber@univie.ac.at
* Univ.-Prof. Dr. Klaus Schönberger, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Celovec, klaus.schoenberger@aau.at
Kontaktperson für die Museen und Vereine
* Matthias Beitl, Volkskundemuseum Wien, matthias.beitl@volkskundemuseum.at
Foto: (c) Train of hope