Interview 1/2025

Hier entsteht ein neues Kulturareal für die Bürger:innen Wiens – das finde ich sensationell.

Gespräch mit Susanne Schicker über die Standortentwicklung am Otto Wagner Areal.
Während der Sanierung des Museumsgebäudes in der Laudongasse dürfen wir Räumlichkeiten im Pavillon 1 am Otto Wagner Areal nutzen. Wie kam es zu dieser glücklichen Situation?
Ich habe mich mit einer guten Bekannten über die Ausstellung Das Kranke(n)haus – wie Architektur heilen hilft unterhalten. Daraufhin meinte sie, sie bringe einen Freund mit, der vielleicht auch etwas am Otto Wagner Areal sucht. Das war Matthias Beitl und er hat sich kurz darauf den Pavillon 1 angeschaut und sich bald dafür entschieden.

Welche Hauptziele verfolgt die Wiener Standortentwicklung GmbH im Bereich Wissenschaft, Bildung und Kultur, insbesondere im Kontext des Otto Wagner Areals?
Das Otto Wagner Areal wird eine Transformation erleben. Vom Krankenhaus zum Kunst-, Kultur-, Bildungs-, Wissenschaftscluster. Meine Aufgaben sind, das Otto Wagner Areal mit dem neuen Fokus bekanntzumachen und dafür zu sorgen, dass es möglichst viele Ansiedelungen aus diesen Bereichen gibt. Der Direktor des Wien Museum, das die Kirche am Steinhof betreut, sagte kürzlich zu mir, ich soll an ein „Museumsquartier Wienerwald“ denken. Also sehr vielfältig und bunt, aber stringent in den genannten Bereichen.
 
Kannst du uns einige der aktuellen oder geplanten Projekte vorstellen, die im Rahmen der Standortentwicklung am Otto Wagner Areal, neben uns, umgesetzt werden (sollen)?
Es gibt die Langzeitnutzung des Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) im Pavillon 15, der einer der beiden Tötungspavillons am Areal während des Nationalsozialismus war. Das DÖW wird ganz hierherziehen. Dann gibt es den Pavillon 18, der gerade für Artists in Residents-Programme umgebaut wird, Bauherr ist die MA 7 (Kunst & Kultur). Geplant ist ein Wohn-/Arbeitsraum für Künstler:innen, die nach Wien kommen. Weiters gibt es die sogenannte Kulturachse mit der Direktion, dem Theater, der (Kultur-)Küche und der Kirche. Die Kirche bleibt Kirche und wird in den warmen Monaten vom Wien Museum betreut. Die Küche wird ein Ort für Performances und Clubbings mit neuen Medien und Musik. Hier kann man viele Leute hosten. Das Jugendstiltheater wird gerade für eine Mehrspartennutzung saniert. In den letzten Jahren wurde das Theater beispielsweise von den Wiener Festwochen, dem Kammermusikfestival oder auch von den Wiener Meisterkursen als Aufführungsort bespielt. In der Direktion ist das Queer Museum Vienna angesiedelt. Zudem haben wir verschiedene Sportveranstaltungen am Areal und Nutzungen des Außenraums, etwa durch das Volxkino im Sommer. Das Areal umfasst 27 Hektar, das ist größer als der halbe achte Bezirk. Es gibt 34 Baukörper. Nur 12% des Areals sind verbaut und 88% sind Freifläche.
 
Wie gestaltet sich bisher die Zusammenarbeit mit anderen kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen am Areal? Gibt es spezielle Partnerschaften, die besonders hervorzuheben sind?
Hervorzuheben ist auf jeden Fall das Queer Museum. Ich finde, es passt hervorragend hierher. Noch dazu, wenn man an die sehr problematische Geschichte des Areals denkt, ist das ein gutes Zeichen für Diversität. Zudem stehen wir als Areal gratis für Sportler:innen und vor allem den Nachbarinnen und Nachbarn zur Verfügen. Der Partizipationsprozess ist von dem Protest gegen die Bebauung des Areals ausgegangen und mündete ist einem Gemeinderatsbeschluss, der besagt, dass dieses Areal im Eigentum der Stadt Wien nicht bebaut werden darf und öffentlich zugänglich sein muss. Unser Blick geht stets auch in Richtung der Interessen der Anrainer:innen.
 
Welche Rolle spielt das Otto Wagner Areal in der kulturellen Landschaft Wiens, und wie wird es in Zukunft weiterentwickelt?
Dieser Prozess steht ganz am Anfang. Man muss immer erklären, dass hier eine Transformation stattfindet. Es wird nach der kommenden Ausstellung zur Krankenhausarchitektur eine Ausstellung zur Entwicklung des Areals geben. Auch ist der Ort noch nicht bekannt als „Otto Wagner Areal“.
 
Welchem Prinzip folgt die Auswahl der Veranstaltungen, Ausstellungen oder Initiativen am OWA?
Die Auswahl ist nicht sehr selektiv, sondern breit gefächert. Sie folgt dem Motto „nicht für eine Minderheit, sondern für die Mehrheit!“. Also möglichst viel, möglichst breit und möglichst gratis.
 
Kommen mögliche Kooperationspartner:innen auf euch zu oder sucht ihr aktiv nach Nutzer:innen?
Momentan muss ich gar nicht mehr Ausschau halten. Ich werde ganz oft angesprochen und bekomme Anfragen für mögliche Nutzungen des Areals.
 
In welchem Zustand sind die einzelnen Pavillons?
Sehr unterschiedlich. Dort, wo während der Pandemie Lifebrain die Covid-Tests ausgewertet hat, ist die Infrastruktur gut. Dann gibt es auch behördlich gesperrte Pavillons wie zum Beispiel der 8., aus dem ein Baum herauswächst.
 
Sind die Pavillons denkmalgeschützt?
Ja, sie sind alle denkmalgeschützt, man darf keinen Stein aufheben (schmunzelt). Es werden alle Pavillons renoviert und teilweise rückgebaut.
 
Welche Herausforderungen gibt es am Standort?
Wir haben sehr große infrastrukturelle Herausforderungen. Der Gemeinderat hat 128 Millionen Euro bewilligt. Ein Großteil davon fließt in klimafitte Maßnahmen: Geothermie, Photovoltaik, Erneuerung der Wasserversorgung sowie Stromversorgung und der Außenhüllen der Gebäude. Das OWA wird ein klimafitter Campus des 21. Jahrhunderts werden.
 
Wie sieht es mit der Gastronomie und der Erreichbarkeit aus?
Die Erreichbarkeit ist eigentlich keine Herausforderung. Die große Entfernung von der Stadt ist eher in den Köpfen der Menschen. Das Otto Wagner Areal ist mit dem Bus 48A wunderbar zu erreichen, er fährt im sechs bis acht Minutentakt. Auch der 47A hält vor der „Haustüre“. Herausfordernd ist definitiv die fehlende Gastronomie und Nahversorgung. Geplant ist, beim Haupteingang eine Billabox aufzustellen. Allerdings dauert die Umsetzung noch, bis alle Bewilligungen erteilt sind.
 
Inwiefern werden die Meinungen und Bedürfnisse der Anwohner:innen und der breiten Öffentlichkeit in die Planungen, Projekte und die Nutzung am OWA einbezogen?
Die Anwohner:innen sind in einem Mediationsverfahren einbezogen worden. Dazu gibt es einen Abschlussbericht, der die Grundlage des Gemeinderatsbeschlusses von 2020 darstellt. Wir stehen jedenfalls stark unter Beobachtung der Anrainer:innen.
 
Wie ist der Umgang mit der Geschichte des Areals im Nationalsozialismus?
Das DÖW mit der Dauerausstellung sowie das Mahnmal für die Kinder vom Spiegelgrund spielen eine wichtige Rolle. Zudem haben wir am Areal Tafeln zur Geschichte und es soll ein Konzept für die Benennung der Straßen am Areal erstellt werden. Hierbei werden die einzelnen Nutzer:innen und die Geschichte des Ortes berücksichtigt. Der Platz bei der Bus-Station wurde schon zum „Stephan-Rudas-Platz“ umbenannt. Stephan Rudas hat in den 1970er Jahren die offene Psychiatrie eingeführt und die Pavillons geöffnet.
 
Nun zu dir persönlich: Was hat dich motiviert, in der Stabstelle für Wissenschaft, Bildung und Kultur der WSE zu arbeiten? Seit wann bist du an Board?
Ich bin seit 1.1.2022 mit dabei. Davor habe ich das Beethoven-Jahr in Wien betreut. Ich sehe das Otto Wagner Areal als das größte Entwicklungsgebiet Wiens. Es kommt selten vor, dass ein so großes und geschichtsträchtiges Areal neu genutzt und transformiert wird. Hier entsteht ein neues Kulturareal für die Bürger:innen Wiens – das finde ich sensationell.
 
Welche Vorhaben, Visionen und Wünsche hast du für das Areal? Was liegt dir besonders am Herzen?
Ich hätte gerne, dass jede:r Wiener:in weiß, wo und was das Otto Wagner Areal ist und dass etwas Positives damit verbunden wird.
 
Hast du eine persönliche Empfehlung, was man jedenfalls nicht verpassen sollte am OWA?
Die Parallel und das Kinofestival im Sommer.
 
 
Das Gespräch führten Johanna Amlinger und Gesine Stern
 
 
Susanne Schicker studierte Germanistik und Geschichte im Lehramt, war nach Jahren als AHS-Lehrerin und als Referentin im Stadtschulrat von 2001 bis 2015 amtsführende Präsidentin des Wiener Stadtschulrates. Von 2018 bis 2021 leitete sie als Koordinatorin das Wiener Beethovenjahr WIENBEETHOVEN2020. Seit 2022 leitet sie die Stabsstelle Wissenschaft, Bildung, Kultur der Wiener Standortentwicklung GmbH (WSE) am Otto Wagner Areal.


Volkskundemuseum Wien
Otto Wagner Areal, Pavillon 1
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