Volkskundemuseum Wien
Otto Wagner Areal, Pavillon 1
Baumgartner Höhe 1, 1140 Wien
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F: +43 1 406 89 05.88
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Im Oktober und November ist das Volkskundemuseum Festivalzentrale für das re:pair FESTIVAL. Wie bist du auf die Idee gekommen, ein Festival zum Thema Reparieren zu organisieren?
Mein Fokus auf das Thema wurde durch die Handwerksausstellung geschärft, die ich 2016/2017 im MAK (Anm. Österreichisches Museum für Angewandte Kunst) kuratierte. Dafür habe ich mich lange und intensiv mit Handwerk beschäftigt. Beim Handwerk ist Reparieren selbstverständlicher Teil der täglichen Arbeit.
Zudem ist es ein sehr aktuelles Thema. Niemand kann sich der Klimakrise entziehen. Wir spüren sie inzwischen überall und müssen uns fragen, wie wir nachfolgenden Generationen unseren Planeten hinterlassen wollen. Ich sehe den heutigen Konsumwahn extrem kritisch. Die Menschen konsumieren einfach viel zu viel und werden dabei nicht glücklicher. Viele versuchen, ihre Kaufentscheidungen klimafreundlicher zu treffen, aber das ist häufig gar nicht so einfach. Letztendlich gilt die einfache Formel: Je weniger Konsum, desto besser. Um das zu erreichen, müssen wir mehr reparieren und weniger wegwerfen. Selber Dinge herzustellen oder zu reparieren macht großen Spaß. Man gibt den Dingen eine größere Wertschätzung, indem man sie erhält und verbindet sich stärker mit ihnen. Zudem ist Repair immer ein lustvolles, kreatives Thema.
Wen willst du mit dem Festival erreichen und was erwartet die Besucher*innen?
Das re:pair FESTIVAL dauert drei Wochen und wir zeigen neben dem breitgefächerten Festivalprogramm eine Ausstellung mit dem Titel Vor der Wegwerfgesellschaft, die aus dem Museum heraus kuratiert ist. In den Sammlungen des Volkskundemuseums gibt es unzählige Objekte, die repariert wurden, weil es früher einfach Standard war. Material bzw. die Ressourcen waren teuer und extrem kostbar. Das hat sich maßgeblich verändert, heute ist die Arbeitskraft teurer als das notwendige Material.
Mir ist es ein großes Anliegen, Angebote für Schulklassen zu machen. Deshalb bieten wir viele Schul-Workshops zum Thema Visible Mending an, also dem bewussten, sichtbaren Reparieren von Kleidung. Die Teilnehmer*innen werden zu Beginn durch die Ausstellung geführt, um ihnen unterschiedliche Reparaturen vorzustellen. Kinder werden in unsere Wegwerfgesellschaft hineingeboren, daher gilt es, vor allem bei ihnen ein Bewusstsein für die Kultur des Reparierens zu schaffen. Die Visible Mending-Workshops werden aber nicht nur für Schul- oder Hortklassen angeboten, sondern auch für Familien und für andere interessierte Besucher*innen. Weiters gibt es Lectures zu unterschiedlichsten Themen rund ums Reparieren. Außerdem haben wir einen kleinen Japanschwerpunkt, es gibt beispielsweise eine Lecture zu „Kintsugi“, der japanischen Goldlackreparatur.
Was bedeutet „Visible Mending“ und warum boomt alles rund um diesen Begriff momentan so sehr?
Früher hat man versucht, möglichst unsichtbar zu flicken. Das Reparierte, Gebrauchte war negativ konnotiert. Heute gibt es diesen Trend zum Visible Mending, der z.B. in Großbritannien sehr stark ist. Dieses sichtbare Flicken mit bunten Fäden und kreativen Stichen macht richtig Spaß. Ich bin ein großer Fan davon und habe schon einiges repariert. Man legt unter das Loch in seinem Kleidungsstück einen Patch und fixiert diesen dann zum Beispiel mit dem sogenannten Reiskornstich. Das ist ganz leicht und sieht toll aus.
Auch gibt es viele junge Leute, die sich Second-Hand Mode kaufen und diese kreativ umgestalten. Ich denke, das ist eine große Chance. Denn Individualität und Kreativität sind erstrebenswerte Eigenschaften in unserer Gesellschaft. Indem man alte Kleidung flickt und umgestaltet, kann man genau das ausleben und einen Beitrag leisten. Es wäre toll, wenn daraus eine richtige Bewegung entsteht, die viele Menschen mitreißt. Wir müssen jetzt das Zeitalter der Reparatur ausrufen und vor allem leben!
Warum wäre es gerade jetzt an der Zeit?
Es wird viel zu viel produziert und zugleich zu billig verkauft. Die Modeindustrie ist höchst problematisch. Der Großteil unserer Kleidung wird unter extrem ausbeuterischen Umständen hergestellt. Es gibt eine enorme Überproduktion, die dann zum Teil ungetragen vernichtet wird. Es kann nicht sein, dass ein T-Shirt in Wien fünf Euro kostet und ein Stück Torte genauso viel. Das ist obszön.
Deshalb arbeiten inzwischen viele junge Designer*innen mit Dead Stock Materialien, das heißt, mit Stoffen, die für vergangene Kollektionen produziert und nicht gebraucht wurden und jetzt auf Halde liegen. Damit wird zumindest ein Teil der Überproduktion sinnvoll genutzt.
Wie gehst du in deinem Alltag mit dem Thema „Repair“ um?
Durch meine erste Ausbildung zur Modedirektrice kann ich nähen und habe vor allem einen Bezug zum Reparieren von Textilien. Zudem komme ich aus einer Familie des „Nicht-Wegwerfens“. Meine Eltern gehören zur Kriegsgeneration und waren durch Mangelerfahrungen zutiefst geprägt. Bei uns daheim war es deshalb ein Tabu, Dinge wegzuwerfen. Diese Haltung habe ich verinnerlicht. Ich versuche so viel wie möglich zu recyclen oder zu reparieren. Ich mache bestimmt nicht alles richtig, aber wenn sich alle ein bisschen mehr anstrengen, können wir gemeinsam etwas bewirken. Zumal wir in der westlichen Welt ausgesprochen privilegiert sind – wir sind von Hunger und Wasserknappheit weitestgehend verschont.
Vergangenes Jahr hast du MEMENTO MORI, ein Festival zu Tod & Trauer auf die Beine gestellt. Schon da hat uns das verdichtete und zugleich überaus vielseitige Programm begeistert. Einen Themenkomplex in Form eines Festivals mit verschiedenen Formaten zu behandeln, ist extrem fruchtbar. Welche Aspekte nimmst du vom Vorjahr mit ins diesjährigen re:pair FESTIVAL und was hat sich weiterentwickelt?
Das Format der partizipativen Installation wird es in einer Neuauflage geben. Ich hatte im vergangenen Jahr Menschen gebeten, Erinnerungsobjekte an Verstorbene mit einem kleinen Text und einem Foto zur Verfügung zu stellen. Diese Installation hieß der Trost der Dinge. Das hat sehr gut funktioniert und die Besucher*innen waren davon sehr berührt. In diesem Jahr habe ich Menschen gebeten, reparierte Objekte einzureichen, um die Leute in ihrer Kreativität anzuregen und zu zeigen, was alles repariert werden kann. Dabei geht es nicht um das Perfekte, eher ums Improvisieren und am Ende um die Funktion. Es ist natürlich auch wichtig, dass die Besucher*innen mitmachen können. Deshalb gibt es viele Formate, die das Publikum aktiv einbinden.
Ist es ein Mehrwert, dass das Festival im Museum stattfindet oder warum hast du dir gerade diesen Ort ausgesucht?
Ich finde, das Volkskundemuseum und ich sind ein Match (lacht). Das passt einfach. Die strategische Positionierung und die Offenheit des Hauses sind perfekt und die Themen, die ich behandle, passen wiederum sehr gut zur Volkskunde. Das Museum setzt mit seinen Sammlungen und Fragestellungen wichtige inhaltliche Impulse und ist als Ort an sich inspirierend. Zudem ist der Umgang mit eurem Team immer wieder eine Freude, die Zusammenarbeit ist wertschätzend, fruchtbar und zugleich sehr unkompliziert.
Du bist Kulturmanagerin auf dem freien Markt, ohne dauerhafte Anbindung an eine Institution und auch ohne eine beständige Finanzierung. Wie empfindest du diese Situation?
Man muss schon sagen, es ist hammerhart. Das Geld für so ein Festival aufzustellen ist einfach extrem anstrengend und kostet wahnsinnig viel Kraft. Es ist möglich, aber es ist genau genommen Selbstausbeutung auf höchstem Niveau. Beispielsweise habe ich im letzten Jahr über Crowdfunding fünfzehntausend Euro aufgestellt. Das ist aufwendig und braucht mindestens zwei Monate harte Arbeit. Was dann an Reinerlös übrigbleibt, ist eigentlich viel zu gering.
Und trotzdem ist das Festival bei freiem Eintritt zu besuchen.
Ja, das hat verschieden Gründe. Ich bin einfach für Kultur für alle. Man könnte natürlich auch Karten verkaufen, aber das im Vorfeld zu tun ist für mich logistisch nicht zu bewältigen. Zudem steht der organisatorische Mehraufwand in keinem Verhältnis. Die Menschen sollen einfach kommen und Neues entdecken. Es sind wichtige Themen und deshalb soll jede*r teilnehmen können, ganz unabhängig davon, wieviel Geld sie/er hat. Es ist wichtig für unsere Gesellschaft, dass alle Menschen ausnahmslos partizipieren können.
Hast du den Eindruck, dass dieser Ansatz gewürdigt wird?
Im letzten Jahr habe ich fantastisches Feedback bekommen. Einige Besucher*innen haben sich bei mir sogar persönlich bedankt. Es ist mir sehr wichtig, anwesend zu sein und den Kontakt zu den Besucher*innen zu suchen und in Dialog zu treten. Ich denke, man muss das Publikum abholen. Ich mache ja meine Projekte nicht für mich, sondern für die Menschen, für die Gesellschaft.
Hast du eine Zukunftsvision? Wo geht’s hin?
Ich möchte auf jeden Fall das Thema Repair vertiefen und nächstes Jahr ein re:pair FESTIVAL mit dem Schwerpunkt Fashion auf die Beine stellen. Mit vielen Visible Mending-Workshops und einer offenen Werkstätte, wo man mit Maschinen sowohl Kleidung flicken als auch kreativ umgestalten kann. Am Ende soll die reparierte Kleidung und die neu gestaltete Mode in einer großen Ausstellung präsentiert werden. Die Werkstätte des Festivals soll an drei oder vier Standorten nacheinander gastieren, gerne wieder im Volkskundemuseum, dann in den SOHO Studios Ottakring und vielleicht im Österreichischen Gewerbe- und Wirtschaftsmuseum und im Kulturhaus in der Brotfabrik. Diese Werkstätte soll von morgens bis abends offen sein und von Profis betreut und von jungen Menschen, sogenannten Ambassadors, begleitet werden. Das sind meine Ideen für die nächste Ausgabe des re:pair FESTIVAL. Langfristig wünsche ich mir einen dauerhaften Ort als „Zentrum der Reparatur“, wo alles repariert werden kann und es verschiedene Werkstätten gibt, die selbstverständlich betreut werden. Zudem soll es dort eine Materialbörse mit vielen unterschiedlichen Materialien geben, die bislang weggeworfen und nicht recycelt werden. Schließlich würde ich eine Kooperation mit der Angewandten eingehen und die Klasse von Manfred Trummer einladen, all eure Kachelöfen aus der Sammlung zu restaurieren. Das sind so meine Träume!
Das Interview führten Johanna Amlinger und Gesine Stern.
Tina Zickler
Studium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin. Kulturmanagement für folgende Projekte & Institutionen: Wild Wonders of Europe – BMU Berlin, artnet AG, AGI Congress Berlin 2005, TESLA im Podewilsʼschen Palais, British Council, Art Forum Berlin, 2. berlin biennale, Bayerische Staatsoper München, GEMA, Passionsspiele Oberammergau 2000, Universität der Künste Berlin und ATZE-Musiktheater für Kinder.
Lebt seit 2012 in Wien. Initiierte und kuratierte folgende Projekte und Ausstellungen:
BRÜDER SCHWADRON call to mind
BRÜDER SCHWADRON neue Orte & Spuren
handWERK – tradiertes Können in der digitalen Welt
Sharing Heritage: Labyrinths in Europe
LABYRINTH-GARTEN Aspern
Kulturfestival MEMENTO MORI
re:pair FESTIVAL
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Mein Fokus auf das Thema wurde durch die Handwerksausstellung geschärft, die ich 2016/2017 im MAK (Anm. Österreichisches Museum für Angewandte Kunst) kuratierte. Dafür habe ich mich lange und intensiv mit Handwerk beschäftigt. Beim Handwerk ist Reparieren selbstverständlicher Teil der täglichen Arbeit.
Zudem ist es ein sehr aktuelles Thema. Niemand kann sich der Klimakrise entziehen. Wir spüren sie inzwischen überall und müssen uns fragen, wie wir nachfolgenden Generationen unseren Planeten hinterlassen wollen. Ich sehe den heutigen Konsumwahn extrem kritisch. Die Menschen konsumieren einfach viel zu viel und werden dabei nicht glücklicher. Viele versuchen, ihre Kaufentscheidungen klimafreundlicher zu treffen, aber das ist häufig gar nicht so einfach. Letztendlich gilt die einfache Formel: Je weniger Konsum, desto besser. Um das zu erreichen, müssen wir mehr reparieren und weniger wegwerfen. Selber Dinge herzustellen oder zu reparieren macht großen Spaß. Man gibt den Dingen eine größere Wertschätzung, indem man sie erhält und verbindet sich stärker mit ihnen. Zudem ist Repair immer ein lustvolles, kreatives Thema.
Wen willst du mit dem Festival erreichen und was erwartet die Besucher*innen?
Das re:pair FESTIVAL dauert drei Wochen und wir zeigen neben dem breitgefächerten Festivalprogramm eine Ausstellung mit dem Titel Vor der Wegwerfgesellschaft, die aus dem Museum heraus kuratiert ist. In den Sammlungen des Volkskundemuseums gibt es unzählige Objekte, die repariert wurden, weil es früher einfach Standard war. Material bzw. die Ressourcen waren teuer und extrem kostbar. Das hat sich maßgeblich verändert, heute ist die Arbeitskraft teurer als das notwendige Material.
Mir ist es ein großes Anliegen, Angebote für Schulklassen zu machen. Deshalb bieten wir viele Schul-Workshops zum Thema Visible Mending an, also dem bewussten, sichtbaren Reparieren von Kleidung. Die Teilnehmer*innen werden zu Beginn durch die Ausstellung geführt, um ihnen unterschiedliche Reparaturen vorzustellen. Kinder werden in unsere Wegwerfgesellschaft hineingeboren, daher gilt es, vor allem bei ihnen ein Bewusstsein für die Kultur des Reparierens zu schaffen. Die Visible Mending-Workshops werden aber nicht nur für Schul- oder Hortklassen angeboten, sondern auch für Familien und für andere interessierte Besucher*innen. Weiters gibt es Lectures zu unterschiedlichsten Themen rund ums Reparieren. Außerdem haben wir einen kleinen Japanschwerpunkt, es gibt beispielsweise eine Lecture zu „Kintsugi“, der japanischen Goldlackreparatur.
Was bedeutet „Visible Mending“ und warum boomt alles rund um diesen Begriff momentan so sehr?
Früher hat man versucht, möglichst unsichtbar zu flicken. Das Reparierte, Gebrauchte war negativ konnotiert. Heute gibt es diesen Trend zum Visible Mending, der z.B. in Großbritannien sehr stark ist. Dieses sichtbare Flicken mit bunten Fäden und kreativen Stichen macht richtig Spaß. Ich bin ein großer Fan davon und habe schon einiges repariert. Man legt unter das Loch in seinem Kleidungsstück einen Patch und fixiert diesen dann zum Beispiel mit dem sogenannten Reiskornstich. Das ist ganz leicht und sieht toll aus.
Auch gibt es viele junge Leute, die sich Second-Hand Mode kaufen und diese kreativ umgestalten. Ich denke, das ist eine große Chance. Denn Individualität und Kreativität sind erstrebenswerte Eigenschaften in unserer Gesellschaft. Indem man alte Kleidung flickt und umgestaltet, kann man genau das ausleben und einen Beitrag leisten. Es wäre toll, wenn daraus eine richtige Bewegung entsteht, die viele Menschen mitreißt. Wir müssen jetzt das Zeitalter der Reparatur ausrufen und vor allem leben!
Warum wäre es gerade jetzt an der Zeit?
Es wird viel zu viel produziert und zugleich zu billig verkauft. Die Modeindustrie ist höchst problematisch. Der Großteil unserer Kleidung wird unter extrem ausbeuterischen Umständen hergestellt. Es gibt eine enorme Überproduktion, die dann zum Teil ungetragen vernichtet wird. Es kann nicht sein, dass ein T-Shirt in Wien fünf Euro kostet und ein Stück Torte genauso viel. Das ist obszön.
Deshalb arbeiten inzwischen viele junge Designer*innen mit Dead Stock Materialien, das heißt, mit Stoffen, die für vergangene Kollektionen produziert und nicht gebraucht wurden und jetzt auf Halde liegen. Damit wird zumindest ein Teil der Überproduktion sinnvoll genutzt.
Wie gehst du in deinem Alltag mit dem Thema „Repair“ um?
Durch meine erste Ausbildung zur Modedirektrice kann ich nähen und habe vor allem einen Bezug zum Reparieren von Textilien. Zudem komme ich aus einer Familie des „Nicht-Wegwerfens“. Meine Eltern gehören zur Kriegsgeneration und waren durch Mangelerfahrungen zutiefst geprägt. Bei uns daheim war es deshalb ein Tabu, Dinge wegzuwerfen. Diese Haltung habe ich verinnerlicht. Ich versuche so viel wie möglich zu recyclen oder zu reparieren. Ich mache bestimmt nicht alles richtig, aber wenn sich alle ein bisschen mehr anstrengen, können wir gemeinsam etwas bewirken. Zumal wir in der westlichen Welt ausgesprochen privilegiert sind – wir sind von Hunger und Wasserknappheit weitestgehend verschont.
Vergangenes Jahr hast du MEMENTO MORI, ein Festival zu Tod & Trauer auf die Beine gestellt. Schon da hat uns das verdichtete und zugleich überaus vielseitige Programm begeistert. Einen Themenkomplex in Form eines Festivals mit verschiedenen Formaten zu behandeln, ist extrem fruchtbar. Welche Aspekte nimmst du vom Vorjahr mit ins diesjährigen re:pair FESTIVAL und was hat sich weiterentwickelt?
Das Format der partizipativen Installation wird es in einer Neuauflage geben. Ich hatte im vergangenen Jahr Menschen gebeten, Erinnerungsobjekte an Verstorbene mit einem kleinen Text und einem Foto zur Verfügung zu stellen. Diese Installation hieß der Trost der Dinge. Das hat sehr gut funktioniert und die Besucher*innen waren davon sehr berührt. In diesem Jahr habe ich Menschen gebeten, reparierte Objekte einzureichen, um die Leute in ihrer Kreativität anzuregen und zu zeigen, was alles repariert werden kann. Dabei geht es nicht um das Perfekte, eher ums Improvisieren und am Ende um die Funktion. Es ist natürlich auch wichtig, dass die Besucher*innen mitmachen können. Deshalb gibt es viele Formate, die das Publikum aktiv einbinden.
Ist es ein Mehrwert, dass das Festival im Museum stattfindet oder warum hast du dir gerade diesen Ort ausgesucht?
Ich finde, das Volkskundemuseum und ich sind ein Match (lacht). Das passt einfach. Die strategische Positionierung und die Offenheit des Hauses sind perfekt und die Themen, die ich behandle, passen wiederum sehr gut zur Volkskunde. Das Museum setzt mit seinen Sammlungen und Fragestellungen wichtige inhaltliche Impulse und ist als Ort an sich inspirierend. Zudem ist der Umgang mit eurem Team immer wieder eine Freude, die Zusammenarbeit ist wertschätzend, fruchtbar und zugleich sehr unkompliziert.
Du bist Kulturmanagerin auf dem freien Markt, ohne dauerhafte Anbindung an eine Institution und auch ohne eine beständige Finanzierung. Wie empfindest du diese Situation?
Man muss schon sagen, es ist hammerhart. Das Geld für so ein Festival aufzustellen ist einfach extrem anstrengend und kostet wahnsinnig viel Kraft. Es ist möglich, aber es ist genau genommen Selbstausbeutung auf höchstem Niveau. Beispielsweise habe ich im letzten Jahr über Crowdfunding fünfzehntausend Euro aufgestellt. Das ist aufwendig und braucht mindestens zwei Monate harte Arbeit. Was dann an Reinerlös übrigbleibt, ist eigentlich viel zu gering.
Und trotzdem ist das Festival bei freiem Eintritt zu besuchen.
Ja, das hat verschieden Gründe. Ich bin einfach für Kultur für alle. Man könnte natürlich auch Karten verkaufen, aber das im Vorfeld zu tun ist für mich logistisch nicht zu bewältigen. Zudem steht der organisatorische Mehraufwand in keinem Verhältnis. Die Menschen sollen einfach kommen und Neues entdecken. Es sind wichtige Themen und deshalb soll jede*r teilnehmen können, ganz unabhängig davon, wieviel Geld sie/er hat. Es ist wichtig für unsere Gesellschaft, dass alle Menschen ausnahmslos partizipieren können.
Hast du den Eindruck, dass dieser Ansatz gewürdigt wird?
Im letzten Jahr habe ich fantastisches Feedback bekommen. Einige Besucher*innen haben sich bei mir sogar persönlich bedankt. Es ist mir sehr wichtig, anwesend zu sein und den Kontakt zu den Besucher*innen zu suchen und in Dialog zu treten. Ich denke, man muss das Publikum abholen. Ich mache ja meine Projekte nicht für mich, sondern für die Menschen, für die Gesellschaft.
Hast du eine Zukunftsvision? Wo geht’s hin?
Ich möchte auf jeden Fall das Thema Repair vertiefen und nächstes Jahr ein re:pair FESTIVAL mit dem Schwerpunkt Fashion auf die Beine stellen. Mit vielen Visible Mending-Workshops und einer offenen Werkstätte, wo man mit Maschinen sowohl Kleidung flicken als auch kreativ umgestalten kann. Am Ende soll die reparierte Kleidung und die neu gestaltete Mode in einer großen Ausstellung präsentiert werden. Die Werkstätte des Festivals soll an drei oder vier Standorten nacheinander gastieren, gerne wieder im Volkskundemuseum, dann in den SOHO Studios Ottakring und vielleicht im Österreichischen Gewerbe- und Wirtschaftsmuseum und im Kulturhaus in der Brotfabrik. Diese Werkstätte soll von morgens bis abends offen sein und von Profis betreut und von jungen Menschen, sogenannten Ambassadors, begleitet werden. Das sind meine Ideen für die nächste Ausgabe des re:pair FESTIVAL. Langfristig wünsche ich mir einen dauerhaften Ort als „Zentrum der Reparatur“, wo alles repariert werden kann und es verschiedene Werkstätten gibt, die selbstverständlich betreut werden. Zudem soll es dort eine Materialbörse mit vielen unterschiedlichen Materialien geben, die bislang weggeworfen und nicht recycelt werden. Schließlich würde ich eine Kooperation mit der Angewandten eingehen und die Klasse von Manfred Trummer einladen, all eure Kachelöfen aus der Sammlung zu restaurieren. Das sind so meine Träume!
Das Interview führten Johanna Amlinger und Gesine Stern.
Tina Zickler
Studium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin. Kulturmanagement für folgende Projekte & Institutionen: Wild Wonders of Europe – BMU Berlin, artnet AG, AGI Congress Berlin 2005, TESLA im Podewilsʼschen Palais, British Council, Art Forum Berlin, 2. berlin biennale, Bayerische Staatsoper München, GEMA, Passionsspiele Oberammergau 2000, Universität der Künste Berlin und ATZE-Musiktheater für Kinder.
Lebt seit 2012 in Wien. Initiierte und kuratierte folgende Projekte und Ausstellungen:
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BRÜDER SCHWADRON neue Orte & Spuren
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