Volkskundemuseum Wien
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Baumgartner Höhe 1, 1140 Wien
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Hildebrandt Café
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Gammon, erzähle uns etwas zu deinem musikalischen Werdegang und Hintergrund. Was machst du konkret?
Gammon: Ich mache seit meiner Kindheit Musik. Mein Ursprungsinstrument ist das Schlagzeug, das habe ich auch studiert. Als ich Anfang der 1990er Jahre nach Wien gekommen bin, hat sich mein musikalisches Interesse verändert und weiterentwickelt. Die elektronische Musik war für mich sehr reizvoll, da ich wenig Muße hatte, mich mit dem Schlagzeug in modrige Keller-Proberäume zu setzen. So hat das begonnen.
Wo agierst du jetzt?
Gammon: Ich komponiere und produziere Musik für Performance, Theater und Film oder ich spiele auch live.
Du arbeitest schon seit Mitte der 1990er Jahren mit dem modularen Synthesizer. Was ist das genau und was sind die großen Veränderungen?
Gammon: Das Prinzip des modularen Synthesizers ist in den 1960er Jahren entstanden. Das technische Prinzip dahinter ist bis heute gleichgeblieben. Es basiert auf vielen Parametern, die mit Steuerspannung gesteuert werden. Man muss sich vorstellen, man hat mehrere Module, die jeweils unterschiedliche Funktionen haben. Diese werden mit Kabeln verbunden. Weiters gibt es viele Regler, mit denen die Klänge verändert werden können. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, Funktionen und Parameter mit Steuerspannung zu verändern – das unterscheidet den modularen Synthesizer von anderen analogen Synthesizern. Allerdings waren die damaligen modularen Synthesizer nicht massentauglich, sie waren sehr klobig und teuer. So wurde es in den 70er Jahren wieder ruhiger um die modularen Synthesizer. Mitte der 90er Jahre hat Dieter Doepfer aus München sein Analog Modular System A-100 präsentiert. Er hat seine Entwicklungen von Anfang an veröffentlicht. Dadurch sind gerade in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren sehr viele neue Hersteller und eine unüberschaubare Anzahl an Module entstanden.
Woher kommt der Trend und wie wirkt sich der technische Fortschritt seither auf dein Arbeiten aus?
Gammon: Mit den modularen Synthesizern gibt es die Möglichkeit, aus dieser Vielzahl an Modulen ein eigenes, individuelles Instrument zusammenzubauen. Das Musikmachen ohne Computer, ohne Bildschirm und ohne Maus wird von immer mehr Menschen entdeckt und geschätzt. Man merkt, dass sich der Trend zurück zum Manuellen bewegt, da wir durch die Digitalisierung in unserem Alltag ohnehin viel mit dem Bildschirm in Kontakt sind.
Was ist das Modular Synthesizer Ensemble?
Gammon: Viele Menschen, die mit dem modularen Synthesizer Musik machen, agieren alleine. Meiner Wahrnehmung nach sind an die 90 Prozent Solokünstler:innen. Auch jene, die das als Hobby betreiben und zu Hause Musik machen, tun das in der Regel für sich. Das ist wunderbar und darf auch so sein. Mein Zugang ist da allerdings eher konträr, weil ich in meiner musikalischen Karriere immer gemeinsam mit anderen musiziert habe. So entstand die Idee zum Ensemble.
Wie kam es zur Projektzusammenarbeit mit dem Volkskundemuseum?
Katrin Prankl: Der Hauptsponsor des Museums, die Erste Bank, hat 2019 Gammon mit uns vernetzt. Daraufhin haben wir überlegt, wie eine Projektzusammenarbeit aussehen könnte. Wir hatten die Idee, Workshops für Lehrlinge anzubieten und haben überlegt, welche Themen des Volkskundemuseums ins Konzept einfließen könnten. Dann kam leider Corona und hat die Realisierung kurzfristig gestoppt, die wir schließlich 2022 in Angriff genommen haben. 2022 hieß das Projekt „Relation“, 2023 „Weitblick“. Im letzten Projekt haben wir uns der Frage gewidmet, was in die leeren Räume der Schausammlung kommen könnte.
Wie kam es dazu, diese Workshops explizit für Lehrlinge anzubieten?
Katrin Prankl: Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, welche Zielgruppen wenig Kontakt zum Volkskundemuseum haben. Gammon hat immer wieder mit Lehrlingen gearbeitet und wir hatten früher ebenfalls Lehrlingsprojekte in der Kulturvermittlung, doch das lag schon einige Zeit zurück. Wir haben überlegt, wie wir diese Zielgruppe wieder ansprechen können. Das hat sich dann sehr gut getroffen mit dir Gammon.
Was ist das Besondere an der Arbeit mit Lehrlingen? Wie unterscheidet sie sich zu anderen Jugendgruppen?
Katrin Prankl: Ich glaube wir zeigen, dass das Museum auch anders als im schulischen Kontext zu nutzen ist und dass da sehr viel Luft nach oben ist. Das schafft eine neue Wahrnehmung des Museums.
Gammon: Für mich ist der Unterschied hauptsächlich der, dass man mit Lehrlingen andere Projektformate angehen kann. Durch die Kooperation mit dem OEAD ist es uns möglich, mit den Gruppen länger und intensiver zu arbeiten als mit Schulklassen. Zudem ist es eine Zielgruppe, die meist sehr wenig mit Kunst und Kultur in Berührung kommt. Dadurch ist es möglich, unterschiedliche Inhalte hineinzubringen und sich gezielt mit Themen auseinanderzusetzen. Die Projekte können auch interdisziplinär ausgestaltet werden. Das Ziel, gemeinsam zu musizieren, bleibt gleich. Der Fokus ist die Auseinandersetzung mit einem neuen Thema.
Was macht ihr da genau?
Katrin Prankl: Unser Ziel war, das Interesse der Teilnehmenden an den volkskundlichen Objekten in der Schausammlung zu wecken. Im Workshop haben sie erarbeitet und ausprobiert, wie man das ausgewählte Objekt mithilfe des modularen Synthesizers klanglich darstellen kann.
Gammon: Der Umweg über den modularen Synthesizer und die Frage nach dem Klangcharakter führt die Teilnehmenden nicht zwingend zu musikalischen Höchstleistungen. Es führt viel eher dazu, dass sie in einen Gedankenprozess eintauchen. Dabei kommen dann immer wieder schöne Überraschungen zu Tage, wenn die Teilnehmenden anfangen zu erzählen.
Katrin Prankl: Spannend ist, dass wir in zwei Tagen den Teilnehmenden das Arbeiten mit den modularen Synthesizern so näherbringen, dass sie ihn am Ende selber bedienen und verschiedenste Dinge probieren können.
Gibt es besondere Erfahrungen, die ihr dabei erlebt habt und wie ist das Echo der Jugendlichen?
Katrin Prankl: Bei unserem zweiten Lehrlingsprojekt haben wir den Umbau des Museums thematisiert und gemeinsam überlegt, welche Objekte in Zukunft gezeigt werden müssten. Wir wollten wissen, welche Themen für die Lehrlinge interessant sind. Einige Themen sind besonders stark herausgekommen: Videospiele, Geld – insbesondere Inflation, Musik-Tanz-Tradition, Autos und der technische Fortschritt. Zudem ist das prozesshafte Arbeiten stets gut angekommen. Die einzelnen Entwicklungsschritte werden aufgenommen, damit am Ende der Prozess nachvollziehbar wird und ein finales „Produkt“ entsteht. In diesem Fall war das Produkt dann ein Kurzfilm, der mit den Synthesizern vertont wurde.
Wie seht ihr das Thema des modularen Synthesizers im Kontext von Vermittlung und Museum? Wie passt es hierher und was sind seine Möglichkeiten, Wirkung und Nutzen?
Gammon: Seit ich mit dem Synthesizer Ensemble Projekte mache, beobachte ich, dass der modulare Synthesizer ein „Türöffner“ sein kann. Man kommt mit Menschen nicht nur ins Gespräch, sondern auch unmittelbar in ein gemeinsames Tun und trifft sich durch den Synthesizer auf einer anderen Ebene. Ich stelle mir nicht die Frage, welchen Bezug hat der modulare Synthesizer zum Museum, sondern welche Möglichkeiten bringt er mit in Bezug auf andere Themenstellungen. Das Modular Synthesizer Ensemble ist natürlich prädestiniert dafür, ein reines Musikprojekt oder einfach einen Musikworkshop abzuhalten. Ebenso ist es möglich, das Workshopformat mit unterschiedlichen Inhalten, mit aktuellen Fragen und Themenstellungen zu verbinden. Das öffnet wiederum Türen für einen interdisziplinären Prozess. Das finale Ergebnis ist dann kein reines Musikstück, sondern stellt eine thematische Auseinandersetzung in den Vordergrund. Es entsteht vielleicht ein Film, eine Performance oder eine Reise zum Mond!
Katrin Prankl: Für mich ist die Auseinandersetzung mit den Objekten spannend. Denn wie nähere ich mich? Welche Fragen können wir an das Objekt stellen? Was löst es in mir aus? Welche Geschichte kommt mir in den Sinn? Wie kann ein Objekt beschrieben werden? Wie klingt die Geschichte? Und daraus wird schließlich die Verknüpfung zur Musik, dem modularen Synthesizer, geschaffen.
Wie geht es weiter und was ist geplant für die Veranstaltungsreihe Musik aus Strom im Jänner/Februar 2024 bei uns im Volkskundemuseum?
Gammon: Nachdem wir die Möglichkeit bekommen haben, die leeren Ausstellungsräume zu bespielen, war uns schnell klar, dass wir etwas Partizipatives machen wollen. Das nimmt beim Modular Synthesizer Ensemble ohnehin eine zentrale Rolle ein. Es gibt in Wien einige Formate, die einen ähnlichen Fokus haben. Nun war die Idee, diese Kollektive im Zuge von Musik aus Strom zu vereinen. Konkret sind das Signal Zirkus, Club Montage und Manege Frei, die je mit einer Veranstaltung vertreten sein werden. Im Zuge der Planung sind schon einige Synergien entstanden. Und genau das war und ist ein weiterer zentraler Gedanke, der uns wichtig ist: Austausch, Vernetzung und die Möglichkeit zu schaffen, mit dem Thema und den aktiven Akteur:innen in Berührung zu kommen.
Katrin Prankl: Abseits der Veranstaltungen und Workshops können Besucher:innen die modularen Synthesizer selber ausprobieren und erfahren. Dazu werden viele Synthesizer zum Ausprobieren bereitstehen. Zudem wird eine Ausstellung mehr über die Entstehung bzw. Geschichte des modularen Synthesizers erzählen. Musik aus Strom soll eine Plattform sein und Besucher:innen die Möglichkeit bieten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Unsere vergangenen Projekte werden wir ebenfalls präsentieren.
An wen richtet sich die Veranstaltungsreihe?
Katrin Prankl: Wir möchten alle Interessierten einladen. Wir bieten außerdem explizit Schul-, Lehrlings- und Familienworkshops an. Außerdem gibt es Diskussionsformate, Konzerte und über eine kleine Ausstellung auch Hintergrundinformation zum Thema.
Gammon: Wir wollen diskutieren und informieren und gezielt einladen, sich aktiv musikalisch und inhaltlich an der Veranstaltung zu beteiligen. Es wird einige Open Calls geben, die dazu einladen, sich bei Konzerten oder über inhaltlichen Input einzubringen. Damit versuchen wir, einen Austausch zwischen Künstler:innen und Publikum zu schaffen.
Wie sieht es mit der Zugänglichkeit und Diversität aus?
Katrin Prankl: Genau den Fragen wollen wir uns in den Diskursformaten widmen. Es ist uns ein Anliegen, der Position von Frauen oder von Menschen, die nicht binär sind, einen Raum zu geben.
Gammon: Die elektronische Musik ist männlich-dominiert. Historisch gesehen waren vorwiegend Männer Ingenieure, die solche Instrumente entwickelten, herstellten und sie in weiterer Folge auch bedienten. Das spürt man bis heute.
Gibt es ein Netzwerk oder einen Ort für Musiker:innen mit speziellem Interesse für modulare Synthesizer in Wien, Österreich und international?
Gammon: Grundsätzlich ist es so, dass die Community sehr offen und austauschfreudig ist. Aber dass es ein Netzwerk gibt, kann ich nicht sagen. Es gibt unterschiedliche Communities. Mit Musik aus Strom möchten wir dort anknüpfen und so vielleicht ein Netzwerk zum Austausch aufbauen.
Das Gespräch führten Johanna Amlinger und Gesine Stern.
Gammon ist Gründer und Leiter des Modular Synthesizer Ensemble. Er beschäftigt sich seit Mitte der 1990er Jahre mit dem modularen Synthesizer, komponiert und produziert elektronische Musik für Tanz, Theater, Film und Performance-Projekte.
Katrin Prankl ist Kulturvermittlerin im Volkskundemuseum Wien und Tanzpädagogin. Sie studierte Geschichte und Europäische Ethnologie an der Universität Wien und absolvierte den /ecm Masterlehrgang zu Ausstellungstheorie & Praxis an der Universität für angewandte Kunst Wien.
Mehr zu Musik aus Strom unter www.volkskundemuseum.at/musik_aus_strom
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Gammon: Ich mache seit meiner Kindheit Musik. Mein Ursprungsinstrument ist das Schlagzeug, das habe ich auch studiert. Als ich Anfang der 1990er Jahre nach Wien gekommen bin, hat sich mein musikalisches Interesse verändert und weiterentwickelt. Die elektronische Musik war für mich sehr reizvoll, da ich wenig Muße hatte, mich mit dem Schlagzeug in modrige Keller-Proberäume zu setzen. So hat das begonnen.
Wo agierst du jetzt?
Gammon: Ich komponiere und produziere Musik für Performance, Theater und Film oder ich spiele auch live.
Du arbeitest schon seit Mitte der 1990er Jahren mit dem modularen Synthesizer. Was ist das genau und was sind die großen Veränderungen?
Gammon: Das Prinzip des modularen Synthesizers ist in den 1960er Jahren entstanden. Das technische Prinzip dahinter ist bis heute gleichgeblieben. Es basiert auf vielen Parametern, die mit Steuerspannung gesteuert werden. Man muss sich vorstellen, man hat mehrere Module, die jeweils unterschiedliche Funktionen haben. Diese werden mit Kabeln verbunden. Weiters gibt es viele Regler, mit denen die Klänge verändert werden können. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, Funktionen und Parameter mit Steuerspannung zu verändern – das unterscheidet den modularen Synthesizer von anderen analogen Synthesizern. Allerdings waren die damaligen modularen Synthesizer nicht massentauglich, sie waren sehr klobig und teuer. So wurde es in den 70er Jahren wieder ruhiger um die modularen Synthesizer. Mitte der 90er Jahre hat Dieter Doepfer aus München sein Analog Modular System A-100 präsentiert. Er hat seine Entwicklungen von Anfang an veröffentlicht. Dadurch sind gerade in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren sehr viele neue Hersteller und eine unüberschaubare Anzahl an Module entstanden.
Woher kommt der Trend und wie wirkt sich der technische Fortschritt seither auf dein Arbeiten aus?
Gammon: Mit den modularen Synthesizern gibt es die Möglichkeit, aus dieser Vielzahl an Modulen ein eigenes, individuelles Instrument zusammenzubauen. Das Musikmachen ohne Computer, ohne Bildschirm und ohne Maus wird von immer mehr Menschen entdeckt und geschätzt. Man merkt, dass sich der Trend zurück zum Manuellen bewegt, da wir durch die Digitalisierung in unserem Alltag ohnehin viel mit dem Bildschirm in Kontakt sind.
Was ist das Modular Synthesizer Ensemble?
Gammon: Viele Menschen, die mit dem modularen Synthesizer Musik machen, agieren alleine. Meiner Wahrnehmung nach sind an die 90 Prozent Solokünstler:innen. Auch jene, die das als Hobby betreiben und zu Hause Musik machen, tun das in der Regel für sich. Das ist wunderbar und darf auch so sein. Mein Zugang ist da allerdings eher konträr, weil ich in meiner musikalischen Karriere immer gemeinsam mit anderen musiziert habe. So entstand die Idee zum Ensemble.
Wie kam es zur Projektzusammenarbeit mit dem Volkskundemuseum?
Katrin Prankl: Der Hauptsponsor des Museums, die Erste Bank, hat 2019 Gammon mit uns vernetzt. Daraufhin haben wir überlegt, wie eine Projektzusammenarbeit aussehen könnte. Wir hatten die Idee, Workshops für Lehrlinge anzubieten und haben überlegt, welche Themen des Volkskundemuseums ins Konzept einfließen könnten. Dann kam leider Corona und hat die Realisierung kurzfristig gestoppt, die wir schließlich 2022 in Angriff genommen haben. 2022 hieß das Projekt „Relation“, 2023 „Weitblick“. Im letzten Projekt haben wir uns der Frage gewidmet, was in die leeren Räume der Schausammlung kommen könnte.
Wie kam es dazu, diese Workshops explizit für Lehrlinge anzubieten?
Katrin Prankl: Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, welche Zielgruppen wenig Kontakt zum Volkskundemuseum haben. Gammon hat immer wieder mit Lehrlingen gearbeitet und wir hatten früher ebenfalls Lehrlingsprojekte in der Kulturvermittlung, doch das lag schon einige Zeit zurück. Wir haben überlegt, wie wir diese Zielgruppe wieder ansprechen können. Das hat sich dann sehr gut getroffen mit dir Gammon.
Was ist das Besondere an der Arbeit mit Lehrlingen? Wie unterscheidet sie sich zu anderen Jugendgruppen?
Katrin Prankl: Ich glaube wir zeigen, dass das Museum auch anders als im schulischen Kontext zu nutzen ist und dass da sehr viel Luft nach oben ist. Das schafft eine neue Wahrnehmung des Museums.
Gammon: Für mich ist der Unterschied hauptsächlich der, dass man mit Lehrlingen andere Projektformate angehen kann. Durch die Kooperation mit dem OEAD ist es uns möglich, mit den Gruppen länger und intensiver zu arbeiten als mit Schulklassen. Zudem ist es eine Zielgruppe, die meist sehr wenig mit Kunst und Kultur in Berührung kommt. Dadurch ist es möglich, unterschiedliche Inhalte hineinzubringen und sich gezielt mit Themen auseinanderzusetzen. Die Projekte können auch interdisziplinär ausgestaltet werden. Das Ziel, gemeinsam zu musizieren, bleibt gleich. Der Fokus ist die Auseinandersetzung mit einem neuen Thema.
Was macht ihr da genau?
Katrin Prankl: Unser Ziel war, das Interesse der Teilnehmenden an den volkskundlichen Objekten in der Schausammlung zu wecken. Im Workshop haben sie erarbeitet und ausprobiert, wie man das ausgewählte Objekt mithilfe des modularen Synthesizers klanglich darstellen kann.
Gammon: Der Umweg über den modularen Synthesizer und die Frage nach dem Klangcharakter führt die Teilnehmenden nicht zwingend zu musikalischen Höchstleistungen. Es führt viel eher dazu, dass sie in einen Gedankenprozess eintauchen. Dabei kommen dann immer wieder schöne Überraschungen zu Tage, wenn die Teilnehmenden anfangen zu erzählen.
Katrin Prankl: Spannend ist, dass wir in zwei Tagen den Teilnehmenden das Arbeiten mit den modularen Synthesizern so näherbringen, dass sie ihn am Ende selber bedienen und verschiedenste Dinge probieren können.
Gibt es besondere Erfahrungen, die ihr dabei erlebt habt und wie ist das Echo der Jugendlichen?
Katrin Prankl: Bei unserem zweiten Lehrlingsprojekt haben wir den Umbau des Museums thematisiert und gemeinsam überlegt, welche Objekte in Zukunft gezeigt werden müssten. Wir wollten wissen, welche Themen für die Lehrlinge interessant sind. Einige Themen sind besonders stark herausgekommen: Videospiele, Geld – insbesondere Inflation, Musik-Tanz-Tradition, Autos und der technische Fortschritt. Zudem ist das prozesshafte Arbeiten stets gut angekommen. Die einzelnen Entwicklungsschritte werden aufgenommen, damit am Ende der Prozess nachvollziehbar wird und ein finales „Produkt“ entsteht. In diesem Fall war das Produkt dann ein Kurzfilm, der mit den Synthesizern vertont wurde.
Wie seht ihr das Thema des modularen Synthesizers im Kontext von Vermittlung und Museum? Wie passt es hierher und was sind seine Möglichkeiten, Wirkung und Nutzen?
Gammon: Seit ich mit dem Synthesizer Ensemble Projekte mache, beobachte ich, dass der modulare Synthesizer ein „Türöffner“ sein kann. Man kommt mit Menschen nicht nur ins Gespräch, sondern auch unmittelbar in ein gemeinsames Tun und trifft sich durch den Synthesizer auf einer anderen Ebene. Ich stelle mir nicht die Frage, welchen Bezug hat der modulare Synthesizer zum Museum, sondern welche Möglichkeiten bringt er mit in Bezug auf andere Themenstellungen. Das Modular Synthesizer Ensemble ist natürlich prädestiniert dafür, ein reines Musikprojekt oder einfach einen Musikworkshop abzuhalten. Ebenso ist es möglich, das Workshopformat mit unterschiedlichen Inhalten, mit aktuellen Fragen und Themenstellungen zu verbinden. Das öffnet wiederum Türen für einen interdisziplinären Prozess. Das finale Ergebnis ist dann kein reines Musikstück, sondern stellt eine thematische Auseinandersetzung in den Vordergrund. Es entsteht vielleicht ein Film, eine Performance oder eine Reise zum Mond!
Katrin Prankl: Für mich ist die Auseinandersetzung mit den Objekten spannend. Denn wie nähere ich mich? Welche Fragen können wir an das Objekt stellen? Was löst es in mir aus? Welche Geschichte kommt mir in den Sinn? Wie kann ein Objekt beschrieben werden? Wie klingt die Geschichte? Und daraus wird schließlich die Verknüpfung zur Musik, dem modularen Synthesizer, geschaffen.
Wie geht es weiter und was ist geplant für die Veranstaltungsreihe Musik aus Strom im Jänner/Februar 2024 bei uns im Volkskundemuseum?
Gammon: Nachdem wir die Möglichkeit bekommen haben, die leeren Ausstellungsräume zu bespielen, war uns schnell klar, dass wir etwas Partizipatives machen wollen. Das nimmt beim Modular Synthesizer Ensemble ohnehin eine zentrale Rolle ein. Es gibt in Wien einige Formate, die einen ähnlichen Fokus haben. Nun war die Idee, diese Kollektive im Zuge von Musik aus Strom zu vereinen. Konkret sind das Signal Zirkus, Club Montage und Manege Frei, die je mit einer Veranstaltung vertreten sein werden. Im Zuge der Planung sind schon einige Synergien entstanden. Und genau das war und ist ein weiterer zentraler Gedanke, der uns wichtig ist: Austausch, Vernetzung und die Möglichkeit zu schaffen, mit dem Thema und den aktiven Akteur:innen in Berührung zu kommen.
Katrin Prankl: Abseits der Veranstaltungen und Workshops können Besucher:innen die modularen Synthesizer selber ausprobieren und erfahren. Dazu werden viele Synthesizer zum Ausprobieren bereitstehen. Zudem wird eine Ausstellung mehr über die Entstehung bzw. Geschichte des modularen Synthesizers erzählen. Musik aus Strom soll eine Plattform sein und Besucher:innen die Möglichkeit bieten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Unsere vergangenen Projekte werden wir ebenfalls präsentieren.
An wen richtet sich die Veranstaltungsreihe?
Katrin Prankl: Wir möchten alle Interessierten einladen. Wir bieten außerdem explizit Schul-, Lehrlings- und Familienworkshops an. Außerdem gibt es Diskussionsformate, Konzerte und über eine kleine Ausstellung auch Hintergrundinformation zum Thema.
Gammon: Wir wollen diskutieren und informieren und gezielt einladen, sich aktiv musikalisch und inhaltlich an der Veranstaltung zu beteiligen. Es wird einige Open Calls geben, die dazu einladen, sich bei Konzerten oder über inhaltlichen Input einzubringen. Damit versuchen wir, einen Austausch zwischen Künstler:innen und Publikum zu schaffen.
Wie sieht es mit der Zugänglichkeit und Diversität aus?
Katrin Prankl: Genau den Fragen wollen wir uns in den Diskursformaten widmen. Es ist uns ein Anliegen, der Position von Frauen oder von Menschen, die nicht binär sind, einen Raum zu geben.
Gammon: Die elektronische Musik ist männlich-dominiert. Historisch gesehen waren vorwiegend Männer Ingenieure, die solche Instrumente entwickelten, herstellten und sie in weiterer Folge auch bedienten. Das spürt man bis heute.
Gibt es ein Netzwerk oder einen Ort für Musiker:innen mit speziellem Interesse für modulare Synthesizer in Wien, Österreich und international?
Gammon: Grundsätzlich ist es so, dass die Community sehr offen und austauschfreudig ist. Aber dass es ein Netzwerk gibt, kann ich nicht sagen. Es gibt unterschiedliche Communities. Mit Musik aus Strom möchten wir dort anknüpfen und so vielleicht ein Netzwerk zum Austausch aufbauen.
Das Gespräch führten Johanna Amlinger und Gesine Stern.
Gammon ist Gründer und Leiter des Modular Synthesizer Ensemble. Er beschäftigt sich seit Mitte der 1990er Jahre mit dem modularen Synthesizer, komponiert und produziert elektronische Musik für Tanz, Theater, Film und Performance-Projekte.
Katrin Prankl ist Kulturvermittlerin im Volkskundemuseum Wien und Tanzpädagogin. Sie studierte Geschichte und Europäische Ethnologie an der Universität Wien und absolvierte den /ecm Masterlehrgang zu Ausstellungstheorie & Praxis an der Universität für angewandte Kunst Wien.
Mehr zu Musik aus Strom unter www.volkskundemuseum.at/musik_aus_strom
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