Frauenstammbuch

Zum Andenken der Freundschaft - Ein Frauenstammbuch aus dem 19. Jahrhundert

Di, 01.05.2012
Das 2006 angekaufte Stammbuch befand sich in Familienbesitz und wurde als Ergänzung der bestehenden Sammlung erworben.
Es ist ein Stammbuch im Sinne eines Freundschaftsbuches. Dieses diente nicht genealogischen Aufzeichnungen von Familien oder Geschlechtern, sondern enthält handschriftliche Einträge befreundeter oder bekannter Personen.
Ein Frauenstammbuch aus dem 19. Jahrhundert

Bereits vor der Mitte des 16. Jahrhunderts kommt unter den Studenten die Sitte auf, ihren Lehrern deren Werke vorzulegen und um einen persönlichen Eintrag zu bitten. Die Anfänge dieser studentischen Autographensammlungen stehen vor allem mit Wittenberg in Verbindung. Daraus entwickelt sich im Laufe der Zeit das akademisch-humanistische Stammbuch des 16. und 17. Jahrhunderts, welches anfänglich als „Album amicorum" betitelt wird. Der älteste bekannte Nachweis für die Bezeichnung „Stammbuch" findet sich in einem Album aus dem Jahre 1559.

Anfänglich bestanden die Einträge lediglich aus schriftlichen Widmungen. Nach Mitte des 16. Jahrhunderts kam es auch zur bildlichen Ausschmückung, welche bei Wappen- oder Briefmalern in Auftrag gegeben wurde. Das Wappen gehörte zur ältesten Art des Bildschmuckes. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts setzten sich leere Bücher und das Queroktavformat endgültig durch.

Bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts führte das vorherrschende Freundschaftsideal zu einer neuen Blüte der Stammbuchkultur, welche in den Alben des Biedermeiers ihren Höhepunkt fand, deren Pflege sich nun vor allem die Frauen annahmen. Die Illustrationen wurden, ganz der biedermeierlichen Hauskultur entsprechend, vorwiegend selbst angefertigt.
Das vorliegende Stammbuch aus dem 19. Jahrhundert ist den Einträgen und der Ausgestaltung nach ein solches Frauenstammbuch. Leider gibt es keine näheren Angaben zur ehemaligen Besitzerin. Es handelt sich um eine querformatige Loseblattsammlung mit 74 beschrifteten Blättern in einer Buchattrappenkassette aus Pappe. Diese setzten sich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts immer mehr durch. Das verwendete Papier ist von unterschiedlicher Qualität und Farbe. Der erste datierte Eintrag stammt aus dem Jahre 1829, der letzte aus dem Jahre 1891, obwohl Stammbücher selten bis ins reife Alter geführt wurden. Die meisten Einträge stammen aus Oberösterreich und sind ganz im Sinne der biedermeierlichen Erinnerungskultur gestaltet.

Ein Großteil der Blätter weist nicht nur handschriftliche Gedichte und Widmungen auf, sondern auch diversen Blattschmuck. Neben einigen Druckgraphiken lässt die Ausführung der Illustrationen überwiegend auf die Arbeit der Eintragenden selbst schließen. Die handschriftlichen Texte und Widmungen beinhalten durchwegs die üblichen Höflichkeitsfloskeln, Freundschaftsbekundungen und die Bitte nach einem ewigen Andenken an die Eintragenden (ein Drittel davon sind Männer). Die überschwänglichen Beteuerungen sind allerdings im Lichte der Routine damaliger sentimentaler Gefühlsäußerungen zu sehen.

Man bediente sich auch im vorliegenden Stammbuch gerne der Blumensymbolik um Rose und Vergissmeinnicht für Liebe und Erinnerung. Das Motiv der Freundschaftsdenkmäler in Form von Obelisken, Urnen und Denksteinen in idealen Landschaften ist ebenfalls vertreten. Fruchtbarkeit, Reichtum und Überfluss sollen der Stammbuchbesitzerin die mehrfach vorkommenden Füllhörner garantieren. Neben dem üblichen gezeichneten, gemalten, und gedruckten Blattschmuck gibt es auch Seiden- und Haarstickereien. Haararbeiten zur Ausschmückung von Stammbuchblättern wurden mit Beginn des 19. Jahrhunderts üblich.
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