In der Passage

Annagelb und Eleonorengrün

Die Faszination des Uranglases

Di, 24.09.2019 – So, 15.12.2019
Der Wunsch, Glas durch Farbe reizvoller erscheinen zu lassen, existiert bereits seit Tausenden von Jahren. In einer römischen Villa wurden Mosaiksteinchen aus Uranerz aus Nordafrika verbaut. Bei Versuchen mit „Pechblende“ aus böhmischen und sächsischen Bergwerken entdeckte der Chemiker M. H. Klaproth im Jahre 1789 ein neues chemisches Element und gab ihm den Namen „Uran“.
Uran-Verbindungen mit ihrer färbenden Wirkung wurden im Biedermeier sehr populär. Der erste Produzent von Uranglas in den 1830er Jahren war der böhmische Glashüttenbesitzer Josef Riedel. Je nach der Menge der Zugabe von Uranoxid und der Beimengung von anderen chemischen Elementen fällt der Farbton eher gelb oder grün aus. Ihre poetischen Namen erhielten die Farben vermutlich nach den Töchtern Anna und Eleonore Riedel. Das mit Uranoxid gelb bis grün gefärbte Glas wurde in Glasfabriken in verschiedenen Ländern hergestellt. In Amerika ist es unter der Bezeichnung „vaseline glass“ bekannt, in England nennt man es „canary glass“ und in Frankreich „verre canary“.
 
Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte man die Radioaktivität und im 20. Jahrhundert die Schädlichkeit von Uran. Normalerweise besteht keine Gefahr einer radioaktiven Kontamination, da die Strahlung nicht höher ist als die natürliche Strahlung in der Umgebung. Die Stärke der Strahlung von Uranglas, gemessen mit einem „Geiger-Zähler“, ergibt nur schwache Werte. Gefährlich ist, dass α- oder β-strahlende Atome durch organische Säuren der Getränke oder der Speisen (Weinsäure, Obstsäure usw.) aus dem Glas heraus gelöst werden können, sich in menschlichen Organen absetzen und dort als Krebserreger wirken können. Man sollte also nicht aus Urangläsern trinken oder essen.

Das Vorhandensein von Uran kann mit ultra-violettem Licht, im Englischen „Black Light“ genannt, sichtbar gemacht werden. Im so genannten UV-Licht werden die für das menschliche Auge unsichtbaren Teile des Sonnenlichts in gelbes und grünes Licht verwandelt. Seit dem späten 19. Jahrhundert kann man UV-Licht künstlich herstellen und damit den faszinierenden Effekt der Fluoreszenz erreichen. Uranglas enthält maximal 2% Uranoxid, es fluoresziert wegen der Struktur der Elektronen in der Glasmatrix. Die davon ausgehende Faszination machte Urangläser zu beliebten Sammelobjekten.

Ausgestellt sind Urangläser verschiedener Hersteller, überwiegend aus den „Compositionsglasfabriken“ in Böhmen und aus dem bayrischen Wald. Das Rohmaterial Uran wurde in böhmischen Bergwerken wie Joachimsthal und Pribram abgebaut. Die Exponate stammen aus einer Schenkung von Franz Dworzak aus Wien an das Volkskundemuseum Wien. Er war seit den 1970er Jahren als Nachrichtentechniker im österreichischen Forschungszentrum Seibersdorf tätig. Der Weg zur Wiener Geschäftsstelle führte an einem Antiquitätengeschäft vorbei, in dessen Auslage ein kleiner, im Sonnenlicht herrlich gelbgrün leuchtender Glasbecher stand. In Gesprächen mit Kollegen wurde rasch klar, dass es sich um Uranglas handelte. Mit dem Ankauf des ersten Glasobjektes legte Franz Dworak den Grundstein für seine Sammlung, von der er sich im Jahre 2018 trennte.
 
Ein kleiner Teil der Sammlung umfasst in hölzerne Formen geblasene Gläser und Repräsentations- und Dekorationsobjekte, deren Dekore von Hand geätzt oder geschliffen wurden. Diese waren im 19. Jahrhundert und dann wieder in der Zwischenkriegszeit sehr beliebt. Der größere Teil enthält unterschiedliche Gefäße aus Pressglas. Bei dieser Technik wurde zähflüssige Masse in einem industriellen Verfahren mit hohem Druck in eine Metallform gepresst. Dabei übertrug sich das Negativ der Form als positiv auf die Oberfläche des Glases. Die Herstellung von Pressglas förderte die Verbreitung von Uranglas in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zeugnis geben einfache Gebrauchsgegenstände wie eine Butterdose, ein Tinten- und Streusandfass und ein Apothekengefäß.

Im Zweiten Weltkrieg forschte man zur Uranspaltung und begann 1942 Uran zur Herstellung von Kernbrennstoffen und Kernwaffen zu nutzen. Nach dem Krieg wurde die Produktion von Uranglas wieder aufgenommen. In den letzten Jahrzehnten ist sie aufgrund der gesundheitsrechtlichen Auflagen stark zurückgegangen. Uran wird heute noch vereinzelt zum Färben von Ziergegenständen verwendet, was Glasfabrikanten nicht explizit angeben. Urangläser in ihrer faszinierenden Vielfalt trifft man hauptsächlich in privaten und musealen Sammlungen an.

Kuratierung: Claudia Peschel-Wacha unter Mitarbeit von Miriam Senger, Lisa Valentiny und Eva Hofmann

Folder zur Ausstellung online

Die Ausstellung befindet sich in der öffentlich zugänglichen Passage und ist kostenlos zu besichtigen.
Volkskundemuseum Wien
Otto Wagner Areal, Pavillon 1
Baumgartner Höhe 1, 1140 Wien

Postanschrift:
Laudongasse 15-19, 1080 Wien

T: +43 1 406 89 05
F: +43 1 406 89 05.88
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